Bochum-Kapitän Anthony Losilla im Gespräch: "Ich will einfach immer mehr machen"
Mit 37 Jahren geht Anthony Losilla im Team des VfL Bochum 1848 voran. Der Franzose über Führungsqualitäten, Arbeitermentalität und Momente der Schwäche.
Die Bundesliga feiert 60. Geburtstag
bundesliga.de: Herr Losilla, wozu braucht man überhaupt Führungsspieler? Jeder Fußballer weiß doch auch so, wo das Tor steht.
Anthony Losilla: Manchmal braucht man trotzdem einen, der den anderen hilft. Ich glaube, die Fähigkeit dafür trägt man in sich. Führungsspieler zu sein, das kommt nicht so von allein. Ich hatte das immer, es hat nur ein bisschen Zeit gebraucht, bis es herauskam.
Zugetraut hat man Ihnen das schon früh. Mit 19 Jahren wurden Sie Kapitän in der zweiten Mannschaft Ihres Heimatclubs AS Saint-Étienne.
Losilla: Es stimmt, ich bin schon lange vertraut mit dieser Rolle. In jeder Mannschaft, für die ich seitdem gespielt habe, bei AS Cannes, Paris FC, Stade Laval, bei Dynamo Dresden und natürlich in Bochum, war ich irgendwann auch Kapitän. Das zeigt, dass alle Trainer diese Fähigkeit in mir erkannten. Auch wenn ich vielleicht einen anderen Charakter habe als Kapitäne, wie man es von früher gewohnt war.
Welchen Charakter meinen Sie?
Losilla: Ich bin ein eher leiser Kapitän. Niemand, der andere gern anschreit. Ich zeige meine Wirkung als Führungsspieler nicht mit Worten oder Wutausbrüchen, sondern lieber mit dem, was ich auf dem Platz tue. Ich gehe einfach gern voran. Aber natürlich habe ich mit zunehmendem Alter gelernt, dass man manchmal auch ein bisschen lauter werden muss, um gehört zu werden.
Früher sprach man davon, dass ein Team einen "aggressiven Leader" brauche. Heute nicht mehr so?
Losilla: Ich glaube, ja. Das hat sich gewandelt. Auf dem Platz kann ich natürlich auch aggressiv sein, wenn es sein muss, aber im positiven Sinn. Vor allem sehe ich mich als Spieler, der immer vorangeht, immer agiert auf dem Platz. Das zieht die anderen mit.
Nach diesem Rollenverständnis muss für die Akzeptanz als Führungsspieler immer auch die persönliche Leistungsbereitschaft stimmen. Bei Ihnen steht das außer Zweifel. Sie waren in der vergangenen Saison der laufstärkste Spieler des VfL Bochum, bei den zurückgelegten Kilometern wie bei der Zahl intensiver Läufe. Wie machen Sie das – mit 37?
Losilla: Laufstark war ich schon immer, aber auch das ist ein bisschen Mentalitätssache. Ich will einfach immer mehr machen, immer noch mehr. Weil ich jedes Spiel genieße, das ich in der Bundesliga noch absolvieren darf. Das gibt mir zusätzliche Kraft auf dem Platz.
Hilft auch die Position im defensiven Mittelfeld, die Führungsrolle auszuüben? Sehr oft sind "Sechser" die eigentlichen Anführer im Team, so wie es etwa Didier Deschamps im französischen Weltmeisterteam von 1998 war, obwohl der große Star Zinedine Zidane hieß.
Losilla: Ja, er war der Typ, der immer im Schatten stand, aber in der Mannschaft eine ganz wichtige Rolle hatte, vielleicht die wichtigste. Als "Sechser" kannst du immer Einfluss nehmen, du bist immer mittendrin, defensiv wie offensiv. Von meiner Position aus kann ich dirigieren und korrigieren. Kann Löcher zumachen, wenn ein Kollege nicht da ist, oder Wege für andere öffnen. Das bringt Stabilität in eine Mannschaft.
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