Spanien gegen England: Das Finale der Gegenentwürfe
Am Sonntagabend kommt es in Berlin zum Endspiel der Europameisterschaft zwischen Spanien und England. Beide Teams stehen für komplett unterschiedliche Spielsysteme. Einen Favoriten gibt es dennoch nicht wirklich.
Selbst Gareth Southgate konnte nicht mehr so recht an sich halten. Der Trainer der englischen Nationalmannschaft stand mit geballter Faust vor den Fans und schrie gegen das "Sweet Caroline" der vielen Tausend Fans im Dortmunder Stadion an. Dem Coach fielen sichtbar zahlreiche Steine vom Herzen. Southgate stand vor dem Halbfinale gegen die Niederlande mächtig in der Kritik. Das Spiel sei zu passiv, das Team stehe zu tief, die individuelle Qualität sei hoch, die der Mannschaft nicht, es gäbe eben keine Veränderung, wenn mal ein Plan nicht aufgeht.
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Doch bis jetzt ist jeder Plan des ehemaligen Verteidigers am Ende aufgegangen. England steht zum zweiten Mal in Folge im Endspiel einer Europameisterschaft. Das hat nichts mit Zufall zu tun, vielmehr entwickelt sich England zu einer Art ungeahnter Turniermannschaft. Ein Nimbus, der bislang eher der deutschen Auswahl anhaftete. Vor drei Jahren hieß der Gegner im heimischen Wembley Italien, nun trifft die Southgate-Elf in Berlin auf Spanien. Und die wilde Achterbahnfahrt der "Three Lions" geht weiter.
Spanien wieder "La Furia Roja"?
Achterbahnfahrt deshalb, weil England vor dem Turnier als einer der großen Favoriten gehandelt wurde, die Leistungen in der Gruppenphase aber eher bescheiden waren. Kaum ein Experte hätte den Engländern ein Turnierverbleib bis zum letzten Spieltag zugetraut. Genauso wenig den ersten Turniersieg seit 1966, der WM im eigenen Land. Der Auftritt gegen die Niederlande hat das Bild verändert. Der Auftritt der Engländer hat sich verändert.
Der Gegenentwurf steht am Sonntag im Olympiastadion auf der anderen Seite. Spanien wurde vor der EM ein gutes Turnier, vielleicht das Halbfinale zugetraut. Der Turniersieg wäre sicher nicht unmöglich, käme aber schon ein wenig überraschend. Doch die offensive Spielweise von Luis de la Fuente, der Spielwitz der Youngster Lamine Yamal und Nico Williams sowie die individuelle Qualität von Spielern wie Dani Olmo bis hin zu Álvaro Morata haben die spanische Mannschaft wieder zu "La Furia Roja" ("Die rote Furie") gemacht. Jenem erfolgshungrigen Team, das zwischen 2008 und 2012 den Weltfußball dominierte.
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Gibt es einen Favoriten?
Spanien hat bei dieser EM zweifelsohne den attraktivsten Fußball gespielt, im Gegensatz zu England bislang alle sechs Turnier-Begegnungen gewonnen und neben Gastgeber Deutschland auch den Titelfavoriten Frankreich aus dem Turnier geworfen - und das verdient. Wirklich in Bedrängnis kam die Mannschaft von Luis de la Fuente nur ab der 70. Minute im Duell gegen Deutschland. Der Einzug ins Endspiel der Iberer ist gleichzeitig ein Fürsprecher für den ansehnlichen Offensivfußball. Und den zeigten die Spanier in diesem Turnier deutlicher als die "Three Lions".
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Insofern gibt de la Fuente auch einen eindeutigen Matchplan für das Spiel der Teams mit "sehr unterschiedlichen Spielsystemen" vor: "England ist körperlich sehr stark. Wir wollen unseren Stil durchsetzen, das Spiel dominieren und versuchen, keine Fehler zu machen." Und doch werden die Karten neu gemischt. Es ist schwer, einen Favoriten für dieses Duell auszumachen. Beide Teams weisen individuelle Qualität in hohem Maße auf, beide Mannschaften zeigen sich als Einheit.
Und auch England bewies gegen die Niederlande, dass es dominant spielen kann. Die Statistik spricht für die Mannschaft von Gareth Southgate. Nach der 0:1-WM-Niederlage 1950 hat England bei großen Turnieren nicht mehr gegen Spanien verloren. 1996 setzten sich die "Three Lions" bei der EM im eigenen Land sogar im Elfmeterschießen gegen Spanien durch. Spätestens dann würde Southgate wieder mit geballter Faust vor den englischen Fans stehen.
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