Dank Nervenstärke und Trapp: Eintracht Frankfurt holt den Cup!
Eigentlich hatte Eintracht Frankfurt das Finale der Europa League in der 118. Minute verloren. Der eingewechselte Kemar Roofe war halbrechts bis zur Grundlinie durchgebrochen und spielte den Ball flach in die Mitte, wo Ryan Kent die Kugel nur noch aus kurzer Distanz über die Linie drücken musste. Aus der Traum vom Europapokaltriumph der Hessen.
Einer fand sich mit diesem Umstand aber nicht ab. Kevin Trapp eilte durch seinen Fünfer, fuhr genau im richtigen Moment das rechte Bein aus und parierte Kents Schuss mit einem Wahnsinnsreflex. So gab es statt Rangers-Jubel nur ungläubiges Staunen, warum dieser Ball nicht im Tor landete. Und wenig später wurde der Frankfurter Traum dann doch Wirklichkeit.
Spielbericht: Frankfurt gewinnt dramatisches Finale
Auf die gesamte Spielzeit gesehen war die Eintracht trotz der vergebenen Rangers-Großchance in der Verlängerung der verdiente Sieger. Vor allem waren die Hessen aber auf die gesamte Europa-League-Saison der verdiente Titelträger. Die SGE blieb in allen 13 Spielen ohne Niederlage und erzielte zudem in jeder Partie mindestens einen Treffer. Das gab den Hessen auch die nötige Sicherheit, um nach dem individuellen Fehler vor dem 0:1 durch Joe Aribo nicht die Zuversicht zu verlieren. "Wir hatten durchweg das Gefühl, es muss so sein, dass wir gewinnen", sagte Kevin Trapp nach der Partie. Die Erinnerungen an London, wo die Eintracht vor drei Jahren nach überragender Leistung im Halbfinale im Elfmeterschießen an Chelsea scheiterte, war bei vielen Beteiligten noch sehr präsent. Umso bemerkenswerter war die Sicherheit der Schützen in Sevilla. Da zitterte bei keinem Frankfurter der Fuß. So wurde Trapp mit einem gehaltenen Elfmeter gegen Aaron Ramsey endgültig zum Matchwinner.
Der herausragende Keeper betonte aber sofort nach der Partie, dass er - obwohl von der UEFA offiziell zum Man of the Match gekürt - nur ein Teil eines größeren Ganzen ist. "Wir alle sind Helden", sprach er euphorisch ins Mikrofon. Und um seine Worte zu verdeutlichen ließ er seinen Blick durch das Estadio Ramon Sanchez-Pizjuan schweifen, wo tausende in weiß gekleidete Eintracht-Fans völlig entrückt den Titel feierten. "Ohne die Zuschauer hätten wir es nicht geschafft. Wir alle sind das", sagte Trapp, bevor er von der Masse der jubelnden Mitspieler davongetragen wurde.
"Wir sind alle Helden" - die Stimmen zum Finale
Der 31-Jährige hatte einen Zettel mit den bevorzugten Ecken der Rangers-Schützen auf seiner Getränkeflasche, aber die Parade gegen Ramsey verdankte er dann seinem Bauchgefühl: "Natürlich bereitet man sich auf mögliche Elfmeterschützen vor. Nachdem es bei den ersten drei nicht geklappt hat, war es auch ein bisschen eine Gefühlsentscheidung. Wobei ich wusste, dass Ramsey lange wartet, bis er entscheidet, wohin er schießt", so Trapp über die letztlich entscheidende Szene.
Neben Trapp hat das Finale noch zahlreiche weitere Helden geboren. Kapitän Sebastian Rode zum Beispiel, der sich trotz Platzwunde am Kopf mit Turban in jeden Zweikampf schmiss. Oder Filip Kostic, der nicht nur mit einer seiner unnachahmlichen Flanken den Ausgleichstreffer vorbereitete, sondern auch unermüdlich die linke Bahn beackerte und die meisten Ballaktionen aller Spieler hatte (114). Oder Almamy Toure, der in der Bundesliga nur fünf Mal in der Startelf stand und nur ein Mal durchspielte, im Finale aber 120 Minuten eine souveräne Partie ablieferte. Der Verteidiger kommt nach dem Finale in Sevilla in dieser Saison auf mehr Einsatzminuten in der Europa League (598), als in der Bundesliga (512). Oder Makoto Hasebe, der in der zweiten Hälfte für den verletzten Tuta ins Spiel kam, im Zentrum der Dreierkette ein sehr starkes Spiel machte und alle seine sechs Zweikämpfe gewann. Und dann war da natürlich Rafael Borre, der erst mit einer technisch anspruchsvollen Direktabnahme artistisch das 1:1 erzielte und den entscheidenden Elfmeter dann so entschlossen links oben in den Knick schweißte, dass auch drei Torhüter keine Abwehrchance gehabt hätten.
Das waren die entscheidenden Faktoren dafür, dass ein gezeichneter Sebastian Rode um 0:11 Uhr den Europa-League-Pokal in den spanischen Nachthimmel stemmen konnte. Es war der Auftakt für eine durchfeierte Nacht, die alle Frankfurter niemals vergessen werden. "Barcelona war außergewöhnlich, aber ich denke, die nächsten Tage könnten noch besser werden", prophezeite Djibril Sow, der mit seinen Teamkollegen in einer Diskothek in Sevilla bis in die Morgenstunden feierte. Der DJ gab den Spielern dabei schon einmal einen Vorgeschmack darauf, was die SGE in der kommenden Saison erwartet und spielte die Champions-League-Hymne. Denn neben dem Pokal ist das die zweite große Belohnung für das Team von Oliver Glasner. Wenn im Sommer die Gruppenauslosung stattfindet, ist die Eintracht erstmals in der Champions League dabei - und das als Europa-League-Sieger sogar in Topf 1.
Das ist eine überragende Leistung, die in den kommenden Tagen noch gebührend gefeiert wird. Am Donnerstag gibt es zunächst eine Triumphfahrt durch Frankfurt bis zum Römer. Hunderttausende Fans werden den Weg säumen und sich immer wieder ungläubig kneifen. Aber es ist wirklich kein Traum - auch weil Kevin Trapp sich in der 118. Minute in Sevilla einfach nicht in sein Schicksal ergeben wollte.
Florian Reinecke