"Goldstandard" Manuel Neuer weiter im Bayern-Tor
Thomas Tuchel nahm es nach dem verlorenen Champions-League-Finale 2020 mit Humor: "Wir sind auch an ihm gescheitert. Das ist ein bisschen Wettbewerbsverzerrung", so der damalige PSG-Coach, nachdem Mbappé, Neymar und Co. beim bayrischen 1:0-Erfolg an Manuel Neuer verzweifelten. Es war eines der ganz großen Spiele des vermutlich besten Torhüters der Geschichte, der mindestens noch bis 2026 zwischen den Pfosten stehen wird.
Ausnahmeleistungen als Normalzustand
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Die Galavorstellung in der Königsklasse überraschte allerdings niemanden. Thomas Müller brachte es nach der Partie vielleicht am besten auf den Punkt: "Da brauchen wir nicht so tun, als ob es ganz unvorhergesehen kam. Er ist immer wieder da, deswegen ist er die Nummer eins", erklärte der Ur-Bayer damals. Ausnahmeleistungen am Fließband - bei Manuel Neuer hatte die Fußballwelt sich 2020 längst daran gewöhnt.
2010 sah das noch anders aus, obwohl sich Neuer bei seinem Jugendclub Schalke 04 bereits einen Namen gemacht hatte. Im Herbst 2006 stieg er mit 20 Jahren zum Stammkeeper der Knappen auf und blieb bis zu seinem Wechsel nach München 2011 unangefochten. Trotz sensationeller Leistungen in der Champions League war die WM 2010 sein internationales Coming-out. Als Teil einer deutschen Mannschaft, die mit unbekümmerten Offensivfußball die Welt begeisterte, beindruckte Neuer mit einer extrem modernen Interpretation des Torwartsspiels. Neuer, nur aufgrund einer Verletzung von René Adler als Stammtorhüter nach Südafrika gereist, hielt dem Druck auf höchster Bühne stand.
Der Goldstandard auf der Torhüterposition
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Ein Beispiel seiner Klasse lieferte er im Achtelfinale gegen England, als er den Führungstreffer von Miroslav Klose mit einem präzisen Abstoß in den Lauf des Torjägers vorbereitete. Ein offizieller Assist für einen Torhüter bei einer Weltmeisterschaft – das war schon etwas ganz Besonderes. Auch deshalb gab es für Löw keinen Grund, nach dem Turnier auf der Torhüter-Position noch einmal zu tauschen.
Die Krönung im Nationalteam folgte dann vier Jahre später in Brasilien. Wie im Champions-League-Finale 2020 reichte auch im WM-Endspiel ein 1:0 zum Sieg. Die ganze Welt in Staunen versetzte Neuer aber schon im Achtelfinale, als er gegen Algerien als "Manu der Libero" mehrfach weit vor dem eigenen Kasten Szenen entschärfte. Natürlich hatte es international zuvor schon offensive Torhüter wie Rene Higuita, Jorge Campos oder Jose Luis Chilavert gegeben, aber an das Gesamtpaket Neuer kam dieses Trio bei weitem nicht heran. Spätestens diese Partie veränderte das Torhüterspiel auf der ganzen Welt – und das ist nicht zu hoch gegriffen. Viele junge Keeper orientierten sich spätestens seit 2014 an Manuel Neuer - dem Goldstandard auf der Torhüterposition.
"Er ist mein Vorbild! Sein Stil hat das Torwartspiel geprägt. Seine Qualitäten mit Ball am Fuß sind unerreicht, er hat neue Normen gesetzt", befindet beispielsweise Alisson Becker vom FC Liverpool, der selbst nicht ganz untalentiert mit den Füßen ist.
Der Kämpfer kommt zurück
Mit der A-Nationalmannschaft blieb die WM 2014 Neuers einziger Titel. Beim FC Bayern füllt er aber seit 2011 fleißig die Clubvitrine. 28 Trophäen (elf Mal Deutscher Meister, fünf Mal DFB-Pokalsieger, sechs Mal DFL-Supercup-Sieger, zwei Mal Champions-League-Sieger, zwei Mal UEFA-Supercup-Sieger und zwei Mal FIFA Klub-Weltmeister) errang er bislang für den Rekordmeister. Er ist der Torhüter mit den meisten Weißen Westen in Bundesliga (233) und Champions League (60) sowie der einzige Torhüter, der zwei Mal das Triple gewann (2013 und 2020).
Dennoch gab es auch schwere Momente in seiner Karriere. Neuer verletzte sich im Kalenderjahr 2017 dreimal am linken Fuß und bestritt von April 2017 bis Sommer 2018 lediglich drei Bundesliga-Spiele. Im Dezember 2022 folgte dann ein schwerer Skiunfall, der ihn fast elf Monate außer Gefecht setzte. Es wurde öffentlich an seinem Comeback gezweifelt, aber technisch versierte Keeper ließ solche Gedanken nicht zu: "Aufgeben war gar keine Option für mich", erinnert sich Neuer an diese Zeit.
Aufgeben war damals keine Option - und Aufhören 2025 auch nicht. Anfang Februar unterzeichnete der Bayern-Keeper einen neuen Vertrag bis 2026. "Manuel Neuer ist der beste Torwart seiner Generation und schon jetzt eine Ikone des FC Bayern. Wenn man über das Torwartspiel unserer Zeit spricht, spricht man über Manuel Neuer, und das weltweit. Er ist ein absolutes Vorbild - auf wie neben dem Spielfeld. Wir freuen uns, dass wir mit ihm auch in der nächsten Saison unsere Ziele angehen werden", erklärte Max Eberl, Sportvorstand des FC Bayern, anlässlich der Vertragsverlängerung. Die Freude im Bayern-Lager wird sicherlich vor allem von der Stürmergilde im In- und Ausland nicht uneingeschränkt geteilt. Nur Thomas Tuchel kann erleichtert durchatmen: Als englischer Nationaltrainer muss er sich mit der "Wettbewerbsverzerrung" in Zukunft nicht mehr herumschlagen: Das Tor der Nationalmannschaft hat Neuer mittlerweile den Jüngeren überlassen.