Pellegrino Matarazzo im Gespräch: "Mich fasziniert der Mensch"
Pellegrino Matarazzo hat italienische Wurzeln, er studierte in den USA Mathematik und kämpfte sich als Spieler über das College nach Deutschland in die 3. Liga. Der 46-Jährige über seinen ungewöhnlichen Weg in die Bundesliga und die Schönheit des Spiels.
Die Bundesliga feiert 60. Geburtstag
Bundesliga.de: Herr Matarazzo, im Fußball kann eine Mannschaft gewinnen, obwohl alle relevanten Daten gegen sie sprechen. Wird man da als studierter Mathematiker wie Sie nicht verrückt?
Matarazzo: Nein, gar nicht. Für die Wahrscheinlichkeit, das Spiel zu gewinnen, ist ja zum Beispiel nicht der Ballbesitz entscheidend, sondern die Anzahl und vor allem die Qualität der Chancen, die sich aus diesem Ballbesitz ergeben. Wer die bessere Mannschaft ist, ist ja oftmals subjektiv und nicht immer anhand von Daten zu erkennen. Denn: Daten sind interpretierbar und können auch nicht alles abbilden. Energie, Momentum – das sind beispielsweise Dinge, die wir mit Daten kaum darstellen können. Im Spiel hat am Ende vieles mit dem Menschen auf dem Platz zu tun, der sehr komplex ist. Man kann einen Fußballer nicht auf Zahlen reduzieren.
Wie gehen Sie mit Unordnung im Fußball und der fehlenden Planbarkeit um?
Matarazzo: Aus meiner Sicht ist doch genau das das Schöne am Fußball. Man kann Spiele und Spieler bestmöglich vorbereiten, durch Maßnahmen beeinflussen und somit als Trainer Impulse geben. Aber der Spieler bleibt Mensch und ist keine Maschine. Ich habe Mathematik studiert, weil ich dafür ein Talent habe. Aber mich fasziniert der Mensch und wie er in der Gruppe zusammenarbeitet. Diese Komplexität ist kaum berechenbar und bedeutet für mich die Faszination des Fußballs.
Sie haben den Fußball schon in Ihrer Jugend in den USA außerordentlich ernst genommen. Waren Sie damit ein Außenseiter?
Matarazzo: In der Schule ja, damals war Fußball in den USA einfach noch nicht so angesehen. Als Fußballer war ich auf jeden Fall uncool. Dort, wo ich aufgewachsen bin, gab es allerdings eine kleine Gruppe von Leuten, die den Fußball für sich entdeckt hatten. Wir waren eine Minderheit, aber daraus resultierte kein schlechtes Gefühl, denn wir hatten die gemeinsame Leidenschaft für diesen Sport.
Sie waren nicht Teil eines Vereinssystems, wie wir es in Deutschland kennen.
Matarazzo: Nein, die Systeme sind auch komplett unterschiedlich aufgebaut. Ich hatte als Kind im Alter von zwölf Jahren zwar einen Verein mit zwei Trainingseinheiten pro Woche und Spielen am Samstag. In der Highschool wurde dann unter der Woche mehr trainiert, die Saison lief allerdings nur vier Monate. Später auf dem College war es ähnlich, die Trainingszeiten waren streng reglementiert, und auch da beschränkte sich die Spielzeit auf nur wenige Monate.
Wie haben Sie es dann geschafft, im Fußball die nächsten Schritte zu gehen?
Matarazzo: Es war jetzt auch nicht so, dass ich nur im Park gespielt habe, da war schon auch elf gegen elf dabei. (lacht) Auf dem College habe ich mit internationalen Fußballern gespielt, die das Zeug zum Profi hatten. Das hatte schon ein ordentliches Niveau.
Wie groß war Ihr Talent für die Mathematik?
Matarazzo: Mir ist es in der fünften Klasse erstmals bewusst geworden, als meine Mathelehrerin mir "Grüße an einen fantastischen Mathematiker" ins Jahrbuch schrieb. Das hat mich damals etwas überrascht. In meinem ersten Jahr auf der Highschool hatten mein älterer Cousin und ich denselben Mathelehrer, mein Cousin war schon im Abschlussjahr. Und der Lehrer sagte zu mir: "Du musst ihm dringend mit Mathe helfen." Das hat mir das Gefühl gegeben, dass da mehr ist als einfach nur gute Schulnoten. Die Kombination der Begabungen für Mathematik und Fußball war dann für mich das Ticket zu einer der besten Universitäten im Land.
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