Zum 15. Todestag von Robert Enke: Unvergessen als Torwart und Mensch
Robert Enke war nicht irgendwer. Er war die Nummer eins – bei Hannover 96 und der deutschen Nationalmannschaft. Bis zum Abend des 10. November 2009, als der unter Depressionen leidende Torwart Suizid beging. 15 Jahre sind seit seinem Tod nun vergangen, doch der Schlussmann bleibt als Sportler und Mensch unvergessen.
Nicht nur bei Hannover 96, dem Verein, zu dem er 2004 gewechselt war. Dort war er unverzichtbarer Schlüsselspieler, führte sein Team als Mannschaftskapitän auf das Feld. Dort wurde er zu einem der besten Torhüter der Bundesliga, wenn nicht sogar dem besten. Dort reifte er zu dem bewunderten Schlussmann, der der Rückhalt des DFB-Teams bei der Weltmeisterschaft 2010 sein sollte. Enke stand vor dem talentierten René Adler, der im Laufe der Konkurrenzsituation zu einem engen Freund wurde. Und vor dem jungen Manuel Neuer, der sich anschickte, zu einem der prägenden Torhüter der Welt zu werden.
Die Nachricht von Enkes Tod löste Bestürzung aus. "Natürlich habe ich von seinen Problemen gewusst, aber ich habe gehofft, dass er sich aus der Schlinge ziehen kann", wird Hans Meyer, der beliebte Bundesliga-Trainer, später sagen. Wie Enke kommt er aus Jena, kennt den Torhüter von Kindesbeinen an, ist ein Freund der Familie. "Für einen Ottonormalverbraucher ist das nicht zu verstehen, dass sich ein junger Mann, der im Leben steht, der sympathisch und erfolgreich ist, vor einen Zug wirft. Man kann nur erahnen, welche Ängste und Schmerzen er gehabt haben muss."
Bundesliga-Premiere bei Borussia Mönchengladbach
Ängste, die auch, aber nicht ausschließlich mit seinem sportlichen Werdegang zu tun haben. Enke beginnt während der Spätphase der DDR in seiner Jenenser Heimat mit dem Fußball, wird alsbald vom renommierten FC Carl Zeiss Jena verpflichtet. Beim thüringischen Spitzenclub durchläuft der talentierte Torwart die Nachwuchsabteilung, wird bereits früh für die Juniorennationalmannschaften des nun wiedervereinigten Deutschlands berufen. "Der wird einmal Nationaltorhüter", soll ein Jugendtrainer einst zu Enkes Vater gesagt haben.
Die Entwicklung des Schlussmanns zeigt nur nach oben: Bereits 1995 absolviert Robert Enke die ersten Partien für die Profimannschaft in der 2. Bundesliga, empfiehlt sich für einen Wechsel zu Borussia Mönchengladbach. Dort lernt er zwei Jahre lang hinter Stammkeeper Uwe Kamps und übernimmt dann dessen Posten, als dieser sich schwer verletzt. Den Abstieg des niederrheinischen Traditionsvereins aus der Bundesliga kann er nicht verhindern. Seine Freundin und spätere Frau Teresa ist schon damals sein Fels in der Brandung.
Trainer-Legende Jupp Heynckes holt Enke im Anschluss nach Lissabon zu Benfica, wo er schnell zum Publikumsliebling wird. "Was ihm die Menschen hoch angerechnet haben, ist auch die Tatsache, dass er sehr schnell die portugiesische Sprache gelernt hat. Er kam mit seiner freundlichen Art, seinem guten Charakter, einfach an", schildert Heynckes später. Ein Wesenszug, der sich durch Enkes Karriere zog und ihn zu dem machte, der er war. Mehr als nur ein Torhüter, mehr als nur ein Sportler: Diese Floskel traf auf Robert Enke besonders zu, auch wenn es sportlich nicht immer lief. Nach drei Jahren in Lissabon entscheidet er sich 2002 für einen Wechsel zum großen FC Barcelona, doch unter Louis van Gaal findet Enke dort sein Glück nicht. Ein Intermezzo bei Fenerbahce Istanbul unter Christoph Daum endet nach wenigen Tagen mit einer Vertragsauflösung.
Bei Hannover 96 fühlt sich Enke zuhause
Trotz dieser Rückschläge wird Robert Enke später im Rückblick einmal sagen: "Dreieinhalb Jahre im Ausland waren sehr gut, anderthalb Jahre nicht so gut. Aber auch diese bereue ich nicht.“ Es klingt abgeklärter, als Enke es vermutlich meinte. Auf Teneriffa findet er zurück – zur Ruhe in der Seele und zu seiner alten sportlichen Stärke. Im Sommer 2004 kehrt Enke in die Bundesliga zurück, avanciert bei Hannover 96 zum Stammtorhüter. Und noch mehr: Robert Enke fühlt sich zuhause. Und die 96-Fans verehren ihre Nummer eins, die ganz anders ist als die meisten im Fußballgeschäft. "Ein warmherziger Mensch, der daran glaubte, dass Demut auch für einen Torwart kein schlechter Wesenszug ist", schreibt Ronald Reng in seiner Biografie "Robert Enke. Ein allzu kurzes Leben" über den Nationaltorhüter. Introvertiert, ruhig, bescheiden – Robert Enke macht keine Show, Robert Enke macht seinen Job.
Und das herausragend, obwohl er privat einen Schicksalsschlag verkraften muss: Im September 2006 stirbt seine kleine Tochter Lara. Sie war mit einem Herzfehler zur Welt gekommen und wurde nur zwei Jahre alt. "Unsere Tochter war fast ein Jahr im Krankenhaus, davon ein halbes Jahr auf der Intensivstation. Das verändert die Sichtweise. Ich habe gelernt, andere Prioritäten zu setzen", sagte Enke über diese schlimme Phase in seinem Leben. Robert Enke ist ein Mensch, der über den Fußball hinaus wirkte. Der sich gemeinsam mit seiner Frau für den Tierschutz einsetzte. Der als Vorbild daherkam, trotz Rückschlägen immer wieder aufzustehen. Der für seine Mannschaftskollegen und für seine Fans gleichermaßen nahbar war. "Robert hat mein Leben positiv beeinflusst wie kaum ein Kollege", sagt beispielsweise Weltmeister Per Mertesacker über seinen einstigen Hannoveraner Teamkameraden.
Mehr als nur ein Torwart: Ein Weltklasse-Keeper ohne Allüren
Enke war ein außergewöhnlicher Mensch – und ein außergewöhnlicher Schlussmann, der an seiner Technik feilte wie ein Besessener. Ein Torwart-Tüftler. Knickte im Eins-gegen-Eins sein Knie ein, damit er nicht getunnelt werden kann. Brachte sich eine weitere Variante des Abschlags bei, um das Spiel seiner Mannschaft noch effektiver beeinflussen zu können. Und vergaß bei all dem nicht, was ihn so weit gebracht hat. "Ich werde nie öffentlich sagen, der oder der ist schlechter als ich, oder sonst wie versuchen, einen Kollegen kaputtzumachen, um die Nummer eins zu werden. Ich weiß, was Respekt ist", betonte er einmal und fügte sicherlich auch angesichts seiner Kenntnis um die Schattenseite des Geschäfts hinzu: "Fußball verleitet dazu, immer mehr, immer weiter zu wollen. Ich aber habe gelernt, dass du dankbar dafür sein musst, was du hast."
Mehr Informationen zur Robert-Enke-Stiftung
Was er hatte, waren die Herzen der Menschen. Selbst in fremden Bundesliga-Stadien war Robert Enke ein Held, der sogar von den gegnerischen Fans bejubelt wurde. Anerkennend nickten sie über die Ausnahmeerscheinung im 96-Tor: Ein Weltklasse-Keeper ohne Allüren, zurückhaltend und doch zupackend. Ein besonderer Profi, der seine Vorbildfunktion mit natürlicher Autorität zu füllen vermochte. "Ich bin noch immer gerührt, welchen Einfluss Robbi auf die Menschen nehmen konnte. Eine besondere Gabe, ohne dass es ihm jemals bewusst gewesen ist. Leider…", sagte Teresa Enke nach einem Schreibwettbewerb zum neunten Todestag ihres Mannes.
Sein letztes Spiel absolvierte Robert Enke am 8. November 2009, es war ein 2:2 im eigenen Stadion gegen den Hamburger SV. Seine 196. Bundesliga-Partie. Zu seiner bewegenden Trauerfeier kamen 35.000 Menschen ins Hannoveraner Stadion.
Enkes Popularität ist ungebrochen
15 Jahre später ist die Popularität des verstorbenen Torwarts ungebrochen. Zu seinen Ehren hat die Stadt Hannover ein Teilstück einer Straße am 96-Stadion nach ihm benannt, die Geschäftsstelle seines ehemaligen Vereins liegt unter anderem dort. Seine Witwe Teresa führt den Kampf gegen die heimtückische Krankheit namens Depression weiter. Sie steht der Robert-Enke-Stiftung vor, die die DFL Deutsche Fußball Liga, der Deutsche Fußball-Bund und Hannover 96 nach dem Suizid des ehemaligen Nationaltorhüters gegründet haben und die sich unter anderem um Aufklärung rund um das Thema Depression bemüht. "Sein Tod hat so viel bewegt, weil Menschen dadurch wachgerüttelt wurden", sagte Teresa Enke in einem dpa-Interview. Robert Enke war nicht irgendwer. Deshalb bleibt er auch über seinen Tod hinaus unvergessen.
Für Menschen, die an Depressionen leiden, gibt es zahlreiche Hilfsangebote. Betroffene können sich zum Beispiel an folgende kostenlose Hotlines wenden: 0800/1110111 oder 0800/1110222 (Telefonseelsorge Deutschland), 0800/3344533 (Stiftung Deutsche Depressionshilfe) oder 0241/8036777 (Robert-Enke-Stiftung).
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