Justin Njinmah: der Highspeed-Postbote des SV Werder Bremen
Werder-Stürmer Justin Njinmah ist einer der Shootingstars dieser Saison und wirbelt dank seiner enormen Geschwindigkeit die Abwehrreihen der Bundesliga durcheinander. Dabei verlief sein Weg in die Bundesliga eher im schleppenden Tempo. Noch vor einigen Jahren schien der Weg zum Profi fast undenkbar.
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"Wie soll ich es vom ETV (Eimsbütteler TV, Anm. der Red.), der vier Tore in der Saison macht, zum Profi schaffen" - dieser Gedanke begleitet Justin Njinmah fast während seiner kompletten Juniorenzeit, wie er jüngst im Interview mit Youtuber Bilal Kamarieh verriet. Lange spielt der schnelle Angreifer beim Hamburger Stadtteilclub, bevor er für sein letztes Juniorenjahr in die U19 von Holstein Kiel wechselt. Der Traum vom Profifußball ist immer irgendwo im Hinterkopf, "aber ich habe es einfach für unrealistisch gehalten", erinnert sich Njinmah.
Als bester Torschütze schafft er mit den "Störchen" den Aufstieg in die U19-Bundesliga. Im Winter darf er sogar mit den Profis mit ins Trainingslager, merkt aber selbst, dass da noch etwas fehlt. Der Sprung innerhalb eines halben Jahres vom "Dorfclub", wie Njinmah den ETV nennt, in die 2. Bundesliga ist noch deutlich zu groß. Zur Saison 2019/20 gehört er der U23 des Zweitligisten an. Sein Trainer damals: der jetzige Werder-Coach Ole Werner. Es folgen zwei wegen Corona extrem verkürzte Spielzeiten in der Regionalliga Nord. Elf Einsätze, vier Tore stehen für Njinmah in zwei Jahren zu Buche. Nach dem aus persönlicher Sicht missglückten Trainingslager gibt es kaum Kontakt mit den Kieler Profis. "Wenn Du in der Regionalliga bist, aber nichtmal spielst, dann musst Du einen Plan B haben", denkt Njinmah an die Zeit zurück, als der Ball ruht und teilweise nicht einmal an Training zu denken ist.
Werder-Wechsel als Wendepunkt
Um über die Runden zu kommen jobbt er zu dieser Zeit zwei bis drei Mal in der Woche als Postbote. Aber das Geld ist dennoch knapp. "Ich konnte irgendwie mit Ach und Krach leben, mit bisschen Nudeln und Pesto", schildert der gebürtige Hamburger die schwierige Phase. Ein ehemaliger Jugendtrainer ist aber weiterhin von seinen Qualitäten überzeugt, spricht mit einem Berater über seinen alten Schützling - und weckt damit die Neugier. Der Berater spricht mit Njinmah, sammelt Video-Material und nimmt Kontakt zum SV Werder Bremen auf. Die Hanseaten sind sehr angetan von Njinmahs Qualitäten und verpflichten ihn für die U23, obwohl er - wie die meisten anderen Juniorenspieler - pandemiebedingt kaum Spielpraxis hat. Nun macht es beim gebürtigen Hamburger "klick": "Jetzt will ich auch Profi werden", so sein fester Entschluss.
In Bremen gelingt dies trotz starker Leistungen in der U23 zunächst nicht, aber über eine Leihe zur zweiten Mannschaft von Borussia Dortmund kann sich der Stürmer in der 3. Liga beweisen. Gerade in der Rückrunde 2022/23 dreht er richtig auf. In allen 19 Partien der zweiten Saisonhälfte steht er in der Startelf und erzielt starke elf Treffer. Ein Empfehlungsschreiben für die Rückkehr nach Bremen, wo sein alter Kieler Coach Ole Werner auf ihn wartet und nun endlich fest für den Profikader einbaut.
Traum-Debüt und DFB-Blickfeld
Gleich der erste Bundesliga-Einsatz für die Grün-Weißen verläuft wie im Traum: Gegen Mainz wird Njinmah in der 76. Minute für Dawid Kownacki eingewechselt und hat mit einem Tor und einer Vorlage maßgeblichen Anteil am 4:0-Erfolg gegen die 05er. Zwei Scorerpunkte im ersten Bundesliga-Spiel für Werder - das war zuletzt dem Brasilianer Diego 2006 gelungen. In der Folge darf sich Njinmah vor allem als Joker beweisen und sorgt vor allem mit seiner enormen Schnelligkeit (Top-Speed 2023/24: 35,5 km/h) immer wieder für Impulse.
Nach der Winterpause ist er auch fester Bestandteil der Bremer Startelf und steht in sechs der sieben Partien von Beginn an auf dem Platz - vor der Winterpause war dies nur zweimal der Fall. Mit 23 Jahren ist er kein ganz junges Talent mehr, aber seine Lernkurve ist dennoch extrem steil. In seinem ersten Bundesliga-Jahr wird er kontinuierlich stärker und steht mittlerweile bei fünf Saisontreffern. "Uns ist nicht verborgen geblieben, dass Justin Njinmah eine sehr gute Entwicklung genommen hat. Der Spieler ist im erweiterten Blickfeld von uns", erklärte unlängst Andreas Rettig, Geschäftsführer Sport des DFB. "Für die Nationalmannschaft zu spielen, wäre schon mein größter Traum", sagt Njinmah. Derzeit scheint das ganz weit weg und ein wenig unrealistisch. In etwa so unrealistisch, wie ein Jugendspieler des Eimsbütteler SV, der es in die Bundesliga schafft...
Florian Reinecke
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