Taktik-Analyse: Harry Kane und Leroy Sané ergänzen sich hervorragend
Der FC Bayern München hat ein neues Sturmduo: Harry Kane und Leroy Sané ergänzen sich hervorragend - und helfen sich gegenseitig zur besten Form ihrer selbst. bundesliga.de analysiert, wie die beiden FCB-Stars sich taktisch verhalten.
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Der FC Bayern hat sich in diesem Sommer mit einem absoluten Starstürmer verstärkt. Doch Harry Kane ist nicht nur individuell ein echtes Highlight, der Engländer hat seit seinem ersten Tag in München eine ganz besondere Beziehung zu Leroy Sané. Beide Angreifer ergänzen sich beim Rekordmeister hervorragend, zusammen haben Kane (21 Tore, fünf Vorlagen) und Sané (acht Treffer, acht Assists) überragende 42 Scorerpunkte erzielt. Kein Angriffsduo kommt nur annähernd an diesen Wert heran, Leverkusens Victor Boniface & Florian Wirtz sowie Stuttgarts Serhou Guirassy & Deniz Undav haben als Duos jeweils 29 Scorerpunkte.
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Von den 49 Bayern-Toren war an 34 Treffern mindestens einer der beiden Angreifer direkt beteiligt, das entspricht einer starken Quote von 69 Prozent Torbeteiligungen des Kane-Sané-Duos. Doch sie funktionieren nicht nur als Individuen im selben Angriff extrem gut, sondern kombinieren auch gemeinsam. Immer wieder bringen sie sich gegenseitig in gute Abschlusspositionen. Schon acht Tore hat das Bayern-Duo in dieser Saison gemeinsam erzielt - Sané bereitete fünf Kane-Treffer vor, der Engländer legte dreimal für den deutschen Nationalspieler auf. Kein Zweigestirn war ligaweit als Kombination so gefährlich wie die beiden Münchner. Doch warum funktionieren sie so gut?
Sané sorgt wie kein anderer für Überzahlsituationen
Eine Sache, die jeder Stürmer liebt, sind freie Abschlüsse oder eigene Eins-gegen-Eins-Situationen am Strafraum - gerade Stars wie Kane finden sich dauerhaft in doppelter Manndeckung wieder. Um also bestmöglich in Abschlusssituationen zu kommen, ist es wichtig, dass Mitspieler für Überzahlsituationen - oder zumindest eine Gleichzahl - in letzter Reihe sorgen. In der Bundesliga kann das keiner so gut wie Leroy Sané.
Der Flügelspieler versuchte bisher ligaweit die meisten Dribblings (72) und gewann auch mit deutlichem Abstand am häufigsten (47 Mal) - und das, obwohl er aufgrund des verschobenen Spiels gegen den 1. FC Union Berlin ein Spiel Rückstand gegenüber den Verfolgern Victor Boniface (53 Dribblings, 34 gewonnen) oder Florian Wirtz (42 Dribblings, 27 gewonnen) von Tabellenführer Leverkusen hat. Die Dribblingquote von 65,3 Prozent ist nicht Ligaspitze der Vieldribbler (Brajan Gruda, 71,1 Prozent), doch vor allem aufgrund der Masse ein enormer Wert.
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Immer wieder bringt Sané so seine Sturmkollegen in gute Positionen. Etwa beim Spiel gegen Heidenheim, als er in der 64. Spielminute einen Gegner mit einer Körpertäuschung zu Boden schickt, einen zweiten einfach aussteigen lässt und von hinten sogar Druck von einem dritten bekommt - am Ende setzt er sich durch und läuft frei auf die Abwehrkette, die zu dritt ohnehin schon drei Bayern-Angreifer decken muss. Sané findet schließlich seinen freien Stürmer (in dieser Situation Eric Maxim Choupo-Moting).
Sané will Kane aktiv befreien
Doch Sané löst nicht nur Gleichzahlsituationen aus, er spielt sie auch clever weiter. Dabei läuft er immer wieder aktiv die Gegenspieler von Kane an, um seinen Sturmpartner im Rücken seiner Manndecker in die Tiefe schicken zu können. Der Verteidiger muss sich der Gefahr Sanés annehmen und seinen Mitspielern in schlechterer Position die Verteidigung Kanes überlassen.
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Ein sehr gutes Beispiel hierfür findet sich ebenfalls im Duell gegen Heidenheim. In der 58. Minute kommt es zu einer Kontersituation, in der Sané und Kane zunächst eigentlich zu zweit auf zwei Heidenheimer Verteidiger laufen. Der linke Innenverteidiger Heidenheims, Benedikt Gimber, müsste eigentlich Kane aufnehmen. Für den rechten, Patrick Mainka, bliebe dann die Verteidigung von Sané. Doch der Flügeldribbler attackiert direkt Gimber, zwingt diesen zu reagieren und schickt dann auf seiner rechten Seite Kane frei in den Strafraum. Mainka, der auf der anderen Seite mitlief, hatte keine Chance.
Schleichender Sané nutzt Kanes Aufmerksamkeit
Doch das Aufmerksamkeitsspiel funktioniert auch andersrum: Ist Sané nicht am Ball, positioniert er sich gerne im Schatten von Kane. Er nutzt den großen Fokus aus, den Verteidiger auf den englischen Superstürmer legen, um freie Räume in dessen Rücken zu finden. Immer wieder kommt er dort in Abschlusspositionen oder kann den Ball gefährlich in den Strafraum stecken. Etwa im Spiel gegen Köln, als Kingsley Coman in der 77. Minute auf dem linken Flügel zur Flanke ansetzt. Kane begibt sich in den Raum zwischen Innenverteidiger Jeff Chabot und Linksverteidiger Rasmus Carstensen, was dazu führt, dass Sané am rechten Fünfereck frei abziehen kann.
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Doch auch im Kombinationsspiel funktioniert diese Masche. So kreieren die Bayern etwa im Klassiker gegen Borussia Dortmund eine gute Abschlussmöglichkeit von Leroy Sané. Jamal Musiala dribbelt sich links durch, in der Mitte zieht Kane diagonal zwischen den Innenverteidigern Mats Hummels und Nico Schlotterbeck in die Tiefe, die sich beide darauf fokussieren, den Superstürmer zu verteidigen. Am Strafraumrand findet Sané den freien Raum, wird von Musiala angespielt und kommt aus etwa zwölf Metern frei zum Abschluss - Kobel pariert. Obwohl Musialas Dribbling etwas Zeit brauchte, fokussierte sich auch der nachrückende Linksverteidiger Julian Ryerson auf Kane.
Perfekte Kombination: Kanes Assist auf Sané gegen Freiburg
Wie all diese Elemente kombiniert aussehen, haben Sané und Kane beim Tor zum 2:0 in der 25. Minute gegen den SC Freiburg eindrucksvoll bewiesen. Zunächst dribbelte der in dieser Situation als Linksaußen agierende Sané zur Mitte, schüttelte dabei Merlin Röhl ab und zog die Aufmerksamkeit von Lucas Höler und Ritsu Doan auf sich. Das sorgte dafür, dass jeder Bayern-Angreifer auf der linken Seite nur noch einfach gedeckt wurde (Davies-Sildillia, Kane-Lienhart, Müller-Gulde).
Dann entschied sich Sané, aktiv Kanes Gegenspieler Philipp Lienhart zu attackieren. Freiburgs Innenverteidiger rückte raus, Sané spielte einen perfekten Steilpass hinter Freiburgs Abwehr auf den nun komplett freistehenden Kane und zog an Lienhart vorbei in Richtung Strafraum. Natürlich richtete sich die Aufmerksamkeit von Torhüter Noah Atubolu sowie dem einzigen verbliebenen Verteidiger Manuel Gulde auf den frei im Strafraum stehenden Kane.
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Das nutzte Sané, um sich diagonal in Guldes Rücken abzusetzen, am zweiten Pfosten einzulaufen und nach einem Querpass von Kane ins leere Tor einzuschieben. Überzahl aufbauen, Kane freispielen, sich mit dem Top-Torjäger im Fokus absetzen - Sané hat alle Elemente des Zusammenspiels perfekt ausgeführt.
Kane ist der perfekte Wandstürmer
Doch es ist nicht nur Sané, der vom starken Kane profitiert, der Kapitän der "Three Lions" ist auch für das sonstige Spiel enorm wichtig. Immer wieder ist "King Kane" eine Anspielstation, wenn der Gegner extrem hoch presst. Er lässt sich aus der gegnerischen Abwehrkette fallen, behauptet den Ball auch unter höchstem Druck und schickt seine Mitspieler dann in den Angriff.
So etwa in der 28. Minute gegen Köln, als ein Befreiungsschlag von rechts neben dem Bayern-Strafraum Kane fand, er setzte sich im Eins-gegen-Eins mit dem eng aufgerückten Verteidiger durch und schickte Coman rechts in die Tiefe - am Ende profitierte Sané, der von links ebenfalls ins Zentrum gesprintet war und von Coman ins Eins-gegen-Eins mit Keeper Marvin Schwäbe geschickt wurde, das Duell jedoch verlor.
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Doch auch hier bringt Kanes Präsenz oft Räume, die es zuvor nicht gab. Ein perfektes Beispiel gibt es im Duell mit Stuttgart. Der VfB attackierte in der 29. Minute über links, verlor am Bayern-Strafraum den Ball und wollte ins Gegenpressing umschalten. Doch Kane ließ sich ganz weit fallen und band mit Sechser Atakan Karazor und Innenverteidiger Dan-Axel Zagadou gleich zwei Gegenspieler. Musiala schickte Sané im Rücken von Kane in die Tiefe, der Flügeldribbler sprintete im Konter zusammen mit dem offensiver positionierten Thomas Müller zu zweit auf VfB-Verteidiger Waldemar Anton und Sané kam zum Abschluss.
Verkehrte Welt: Spielmacher Kane bedient Sturmspitze Sané
Der FC Bayern spielt unter Thomas Tuchel extrem variabel - auch wenn gewisse Spieler ihre Grundpositionen über große Teile des Spiels halten, sollen sie immer wieder variabel agieren. Eine Aufgabe, bei der vor allem der vielseitige Kane glänzen kann. Schon bei Tottenham Hotspur und der englischen Nationalmannschaft war der Star-Angreifer dafür bekannt, gerne aus der Sturmspitze zu weichen und seinen Teamkollegen die Bühne zu überlassen.
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Bei den Spurs war es vor allem der ehemalige Leverkusener und Hamburger Heungmin Son, der immer wieder in die Sturmspitze sprintete. Bei den Bayern ist es gerne Sané, der diese Rolle einnimmt. Wie oft die Bayern ihre Positionen wechseln können, zeigte sich auch beim Klassiker gegen Borussia Dortmund, als die Rochaden ein Teil von Tuchels Erfolgskonzept waren.
Trotz Top-Bilanz: Verbesserungspotenzial noch vorhanden
Entsprechend ist auch beim FC Bayern immer wieder das Muster zu sehen, dass Kane sich auf die Zehn oder auf die Flügel fallen lässt und seine Mitspieler als Spielmacher in Szene setzt. Ein gutes Beispiel findet sich bei einer Sané-Großchance in der siebten Minute gegen Köln, als Kane weit links raus zog, die Aufmerksamkeit nahezu der kompletten Abwehr mit sich zog und dem pfeilschnellen Sané ein Eins-gegen-Eins-Sprintduell öffnete. Kanes Flugball fand Sané perfekt hinter der Kette. Sané scheitert am starken Schwäbe.
Doch es gibt auch noch Verbesserungspotenzial: Immer wieder kommt Sané in starke Abschlusspositionen, die er nicht nutzen kann. Mit einer Abschluss-Effizienz von -0,1 (8 Tore bei 8,1 Expected Goals) liegt Sané zwar nur leicht hinter den Erwartungen zurück, bis zu den bombastischen Abschlusswerten von "King Kane" (Abschluss-Effizienz +6,1) ist aber noch Luft. Trotzdem sind Kane und Sané derzeit das torgefährlichste Angriffsduo der Bundesliga - und eines der besten Sturmduos der Welt.
Niklas Staiger