Nuri Şahin vs. Vincent Kompany: Eine Taktik-Schlacht im Klassiker
Der Klassiker am 12. Spieltag war auch ein Duell der Trainer-Neulinge. Während Nuri Şahin den besseren Plan entwickelte, reagierte Vincent Kompany erfolgreich im Spiel. bundesliga.de analysiert die Erfolgs-Taktiken der beiden Star-Coaches.
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Beide Teams machten von Beginn an eines klar: Einen Sieg im Klassiker Nummer 111 muss hart über Intensität und Laufarbeit erkämpft werden. Borussia Dortmund startete schon früh mit einem hohen Pressing im 4-4-2, dabei schob Marcel Sabitzer aus dem Mittelfeld neben Stoßstürmer Serhou Guirassy.
Und auch die Abwehr agierte aggressiv: Innenverteidiger Waldemar Anton zeigte nach nur 38 Sekunden schon die erste Pressingaktion bis ans Spieldrittel des FC Bayern München, als er seinen Gegenspieler Jamal Musiala verfolgt und für einen hohen Ballgewinn des BVB sorgte.
Spielbericht: Der 111. Klassiker
BVB und Bayern spiegeln das Pressing
Ein Thema, das vor allem in der ersten Hälfte immer wieder aufkam: Die Mannschaft von Nuri Şahin presste strukturiert und gut, machte aus jeder noch so kleinen Unsauberkeit im Spiel der Bayern einen Ballgewinn - und startete Konterangriffe. Dadurch kam der BVB zu einigen Chancen im ersten Durchgang, ohne allerdings nennenswerte Abschlüsse zu verzeichnen.
Denn die Bayern standen defensiv sicher und achteten stets auf eine gute Restverteidigung. Das eigene Pressing der Kompany-Elf war dem der Dortmunder nicht unähnlich. Auch der FCB schob mit Musiala einen Mittelfeldspieler in die Doppelspitze vor - und auch die Abwehrspieler attackierten Dortmunds Spieler quer über das Feld. Bezeichnend: Ein Ballgewinn von Minjae Kim am BVB-Strafraum gegen den zurückgefallenen Sabitzer nach etwa 80 Sekunden.
Ähnliche Lösungen - unterschiedlich effektiv
Dass beide Teams nahezu gleich pressten, sorgte dafür, dass auch die Reaktionen der Mannschaften nicht unähnlich waren. Schwarzgelb zog von Beginn an die beiden Innenverteidiger breiter, baute Tormann Gregor Kobel in den Spielaufbau ein und erschwerte Bayerns Sturmreihe somit das Anlaufen. Dadurch war der Ball im ruhigen Spiel häufig auf den Flügeln und das Zentrum kam selten zum Einsatz.
Die Bayern hingegen probierten es zunächst noch, den gewohnten Spielstil durchzusetzen, doch nach mehreren Ballverlusten in zentralen Positionen musste sich auch der zuletzt so dominante Tabellenführer dem Spielgeschehen anpassen, zog die Innenverteidiger breiter und bekam so etwas mehr Kontrolle in das eigene Spiel.
Bei beiden Teams starteten die Angriffe meist von außen - und der Weg, den Ball wieder ins Zentrum zu bekommen, klappte nur selten. Auf beiden Seiten standen sichere und stark verteidigende Defensiven. Dabei ging es vor allem auf Dortmunds linker beziehungsweise Bayerns rechter Seite mächtig zur Sache: Immer wieder kamen Leroy Sané und Konrad Laimer in dynamische Angriffsaktionen, doch spätestens am Strafraum war Schluss.
Andersrum ging es auch häufig von den Abwehrspielern Nico Schlotterbeck und Ramy Bensebaini über Jamie Gittens nach vorne. Dabei suchte der BVB vor allem das Duell Gittens gegen Laimer sehr aktiv - mit Erfolg: In der 27. Minute hatten die Mittelfeldspieler Pascal Groß und Felix Nmecha Bayerns Doppelsechs von der Seite weggezogen und das Angriffsduo aus Guirassy und Sabitzer beschäftigte die Innenverteidigung: Schlotterbeck bekam Platz, um ein steiles Anspiel auf Gittens zu spielen.
Flügelflitzer Gittens als besondere Waffe
Dabei machte sich das BVB-Team vor allem die Dynamik und das Tempo von Gittens zu Nutze. Der 20-Jährige ist derzeit vielleicht der beste Spieler der Bundesliga in Tempodribbling-Situationen. Laimer reagierte darauf, indem er tiefer im Feld stand - er wollte sich nicht hinter der Kette schlagen lassen. Deshalb war Gittens anspielbar und während Laimer nach Schlotterbecks Pass herausrückt, täuschte ihn Gittens mit einer Körperfinte und ging sofort in die Tiefe. Ein Angriff, den niemand mehr verhindern konnte - auch nicht Manuel Neuer im Tor der Bayern. Gittens netzte zur Führung.
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Fast hätte der BVB direkt nachgelegt. Im folgenden Angriff sichern die Bayern zu stark nach außen gegen Gittens ab, sodass diesmal Guirassy im Zwischenraum anspielbar ist - und dann den Flügelflitzer in die Tiefe schicken kann. Doch Dayot Upamecano passte sehr gut auf und fing den direkten Angriff ab.
Die Bayern, die ebenfalls immer wieder in Tempoangriffe kamen, fanden ein solches Mismatch nicht. Dabei half auch nicht, dass Starstürmer Harry Kane nach 33 Minuten verletzt ausgewechselt werden musste. In der Folge verloren die Münchner noch mehr die Präsenz am gegnerischen Strafraum und immer wieder versandeten Angriffe, die im Aufbau gute Lösungen boten.
Bayern muss vorerst auf Kane verzichten
Risiko und Spielfreude bringen die Bayern zurück
Doch mit der Pause drehte sich das Spiel. Vincent Kompany scheint seiner Mannschaft mit der Halbzeitansprache das Selbstvertrauen und die Spielfreude zurückgegeben zu haben. Die Innenverteidiger staffelten sich wieder enger beisammen - stattdessen wurde durch das Abkippen von Musiala und dem für Kane eingewechselten Thomas Müller Überzahlsituationen in der Zentrale geschaffen, um den Druck der Dortmunder Angriffsreihe zu verhindern. Guirassy und Sabitzer standen oft tiefer, um das Mittelfeld abzuschirmen.
Im Kombinationsspiel zeigte sich der FCB zudem risikofreudiger als noch im ersten Durchgang. Das Zentrum war gut besetzt - und so scheuten sich die Münchner nicht mehr, Flachpässe in die Mitte zu spielen, um sich in Richtung des Dortmunder Tors zu kombinieren. Im ersten Durchgang waren es doch häufig die Läufe bis zur Grundlinie, Flanken oder individuelle Dribblings ins Zentrum. Aktionen, bei denen der Ballverlust kein großes Konter-Risiko bringt.
So ergaben sich zwei sehr gute Chancen der Bayern: Direkt nach der Pause spielte Tel von links einen schönen Flachpass auf Musiala, der sich zwischen den Ketten davongestohlen hatte. Der Ballkünstler setzte sich im Eins-gegen-eins am Strafraum durch und legte scharf zurück auf Müller, welcher mit der wohl besten Chance des Spiels an Kobel scheiterte. Gute zehn Minuten später attackierte der FCB über rechts, diesmal mit Müller ganz breit als Kombinationsstation. Dieser schickte Laimer hinter Dortmunds Doppelsechs - und von dort wiederum ging es zu Sané, der frei vor Kobel abschloss und am Tor vorbeizielte. Der Ausgleich, er wäre mit diesen Chancen mehr als verdient gewesen.
Der BVB wackelt - ein Standard entscheidet die Partie
Dabei war es nicht so, dass die schwarzgelben Angriffsbemühungen komplett verschwanden. Kurz nach der Sané-Chance war es Maximilian Beier, der einen Münchner Vorstoß auf Dortmunds rechter Seite abfing und auf dem Flügel sofort in die Tiefe ging - das große Risiko der Bayern-Aufstellung mit viel Personal im Zentrum. Doch am Ende scheiterte Sabitzer an Keeper Neuer - und es blieb der einzige nennenswerte Konter der zweiten Hälfte.
Stattdessen machte der FCB immer mehr Druck. Mit der Einwechslung von Michael Olise für Kim (Leon Goretzka rückte in die Abwehr) entschied sich Kompany für eine noch aggressivere und kreativere Zentrumsbesetzung - und die zahlte sich aus. Zunächst kamen die Bayern gut zentral ins Kombinieren, weshalb der BVB das Zentrum enger machte. Das öffnete rechts Räume für Sané, der sich per Doppelpass mit Olise und einem guten Dribbling ins Zentrum arbeitete und dort einen Freistoß zog. Zuvor hatte Coman links einen ähnlichen Angriff gefahren.
Das Ausgleichstor der Bayern, es fiel am Ende nach diesem von Sané herausgeholten Standard - und ist daher kein Bestandteil dieser Taktik-Analyse. Die Entstehung des Freistoßes allerdings entstand direkt aus den taktischen Anpassungen von Vincent Kompany. Die Bayern zeigten sich mutig, kreativ und risikofreudig - und wurden dafür belohnt.
Der Klassiker der Unbezwingbaren
Mit den herausrgespielten Chancen hätten die Münchner das Spiel sogar gewinnen können. Das macht den Bayern Mut für das Topspiel gegen Leverkusen im DFB-Pokal unter der Woche, für das es eine klare Aufgabe an Kompany und sein Trainerteam gibt: Wie ersetzen die Bayern Kanes Torgefahr?
Der BVB hat hingegen gezeigt: Mit einem klaren Plan und vor einer tollen Heimkulisse kann die Borussia es mit jedem Gegner aufnehmen. In der zweiten Hälfte fand Dortmund jedoch keine Lösung mehr für das furiose Spiel der Bayern. Daran muss das Şahin-Team arbeiten, um solche Spiele in Zukunft mit drei Punkten zu beenden.
Niklas Staiger
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