Endlich geht's für Undav auf die Reise in die Champions League - © DFL Deutsche Fußball Liga
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Deniz Undav erfüllt sich beim VfB Stuttgart einen Traum

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Endlich international: Deniz Undav hat sich mit seinen ehemaligen Vereinen immer wieder fürs europäische Geschäft qualifiziert - und wechselte dann den Club. Nun bleibt er aber beim VfB Stuttgart, wechselt fest an den Neckar und darf sich in der Champions League einen Lebenstraum erfüllen.

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2021 war es endlich so weit: Dem belgischen Traditionsverein Royale Union Saint-Gilloise gelang mit der Meisterschaft in der zweiten belgischen Liga die Rückkehr in die Jupiler Pro League - nach 56 Jahren! Nicht ganz unbeteiligt an diesem Aufstieg des elfmaligen belgischen Meisters: Deniz Undav. Der im niedersächsichen Varel geborene Offensivspieler war im Sommer 2020 zu den Belgiern gestoßen, spielte zuvor beim SV Meppen in der 3. Liga. 17 Treffer und fünf Vorlagen lieferte er im ersten Jahr seiner ersten Auslandsstation ab. 

Auch in der Jupiler Pro League marschierte Union SG weiter, wurde in der Hauptrunde 2021/22 mit fünf Zählern Vorpsrung Erster und verpasste in der Meisterrunde, die in Belgien nach der regulären Saison gespielt wird, den zwölften Titel nur hauchzart und wurde vom FC Brügge abgefangen. Torschützenkönig Belgiens in dieser Saison? Undav, der in 33 Pro-League-Partien 25 Mal traf und dazu auch noch zehn Vorlagen gab. USG hatte sich zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte für einen europäischen Wettbewerb qualifiziert - mit und dank Undav, der aber seine persönliche Europapokal-Premiere verschieben musste: Aus der Vorstadt Brüssels ging es im Sommer 2022 zu Brighton & Hove Albion in die englische Premier League.

Unter Trainer Roberto de Zerbi lief es in der darauffolgenden Saison prächtig für den Club, der als Sechster die Ziellinie überquerte und sich - wie Union SG im Jahr zuvor - erstmals für den Europapokal qualifizieren konnte. Für Undav lief es in der Premier League allerdings nicht so wie gewünscht: Nur 22 von 38 möglichen Spielen stand der Techniker auf dem Feld, steuerte immerhin fünf Treffer zur Europa-League-Qualifikation bei. Undav wollte mehr Spielpraxis - und sich seinen Traum von der Bundesliga erfüllen: Im Sommer 2023 verschob er sein Debüt auf der europäischen Bühne noch einmal und wechselte zum VfB Stuttgart, der sich wenige Wochen zuvor in der Relegation vor dem Abstieg gerettetet hatte.

Undav, Stuttgart und die märchenhafte Saison 2023/24

Und die vergangene Saison, die erste von Undav in der Bundesliga, lief sowohl für den Angreifer als auch für die Schwaben wie ein Märchen: Mit flottem und ansehnlichem Offensiv-Fußball stürmte der VfB unter Coach Sebastian Hoeneß auf den zweiten Platz hinter dem ungeschlagenen Meister Bayer 04 Leverkusen. 73 Punkte holten die Stuttgarter - mehr waren es noch nie! 78 Treffer erzielten die Süddeutschen 2023/24, nur Meister Leverkusen (89) und der vom VfB überholte FC Bayern (94) trafen öfter. 

Und Undav? 18 Tore und neun Vorlagen sammelte der Niedersachse in 30 Bundesliga-Spielen. Zusammen mit dem besten Stuttgarter Torjäger Serhou Guirassy (28 Tore, zwei Assists) bildete der kombinationsfreudige Angreifer ein unfassbar gefährliches Sturm-Tandem. Die beiden waren zusammen auf dem Feld kaum zu verteidigen und sorgten mit ihren Offensivaktionen dafür, dass sich der VfB zum dritten Mal in der Vereinsgeschichte für die Hauptrunde der Champions League qualifizierte.

Als Sahnehäubchen obendrauf wurde Undav von Bundestrainer Julian Nagelsmann in die Nationalmannschaft berufen. Drei Länderspiele hat der im Juli 28 Jahre alt gewordene variable Offensivspieler mittlerweile absolviert - eines davon bei der Heim-Europameisterschaft: und zwar im zweiten Grupenspiel gegen Ungarn, das Deutschland 2:0 gewann. In seinem neuen und alten "Wohnzimmer" beim VfB Stuttgart.

Deniz Undav: "Ich fühle mich pudelwohl beim VfB." - Simon Hofmann/Bundesliga

"Ich fühle mich in Stuttgart pudelwohl!"

"Es war ein überragendes Gefühl. Ich hatte Gänsehaut, als die Fans meinen Namen gesungen haben. Es gibt vermutlich nichts Schöneres, als im Heimstadion für die Nationalmannschaft sein EM-Debüt zu geben. Ich mag den VfB, ich mag die Fans, die Menschen hier in der Region und fühle mich in Stuttgart pudelwohl", frohlockte der Angreifer im Juni nach dem Ungarn-Spiel.

Und dennoch musste er sich nach dem Viertelfinal-Aus erstmal gedanklich vom Schwabenland verabschieden: War er doch nur von Brighton an den VfB ausgeliehen. Undav drohte im dritten Jahr in Folge seine persönliche Europapokal-Premiere zu verpassen - doch nun hat Stuttgart eine Einigung mit den Engländern erzielt und verpflichtete den deutschen Nationalspieler bis zum Sommer 2027 fest. 

"Stuttgart will mich unbedingt haben, die lieben mich", hatte der Angreifer vor wenigen Tagen erst auf YouTube im Gespräch mit dem deutschen Schwergewichtsboxer Agit Kabayel bekräftigt. Und wie sie den Angreifer dort lieben! Nicht nur wegen seiner Tore. "Deniz ist eine Mischung aus Instinkt- und Straßenfußballer. Noch dazu ist er ein Junge, der sein Herz auf der Zunge trägt", sagte Sebastian Hoeneß, der alte und neue Traine Undavs, schmunzelnd in der vergangenen Saison. 

"Er ist ein Schlitzohr"

Man höre Undav häufig in der Kabine, weil dieser so laut sei. "Er ist nie um einen guten Spruch verlegen. Er ist ein Schlitzohr", erzählte Hoeneß. Ähnliches hörte man auch während der EM vom Bundestrainer. Stellenweise wurde im und ums DFB-Team sogar gemunkelt, dass der Techniker selbst "Radio Müller", also dem jahrelangen Wortführer und Scherzbold Thomas Müller, Konkurrenz mache.

"Und trotzdem weiß er im richtigen Moment, wenn es drauf ankommt, was er zu tun hat. Er hilft uns enorm. Wir sind froh, dass er hier ist", sagte Hoeneß schon in der vergangenen Saison und unterstrich damit, dass Undav nicht nur für die gute Stimmung essenziell beim VfB ist. Der Angreifer kann auf beiden Flügeln, hinter einer Spitze, oder als alleiniger Stürmer agieren. Aufgrund seines guten Gespürs für Zeit und Raum ist der Niedersachse extrem resistent, was Druck angeht.

Fragen und Antworten – hier geht‘s zum Bundesliga-FAQ

Bereits in der 3. Liga war der heute 28 Jahre alte Offensivakteur mit seiner technisch starken Spielweise aufgefallen: Waren es in seiner ersten Saison (2018/19) im Emsland noch sechs Tore und zwei Assists in 35 Spielen der 3. Liga, so wurde Undav in seinem zweiten Jahr beim SVM mit 30 Scorerpunkten in 35 Partien Topscorer der 3. Liga. In seiner ersten Saison in der 3. Liga agierte Undav teilweise zu verspielt, "zockte" ein wenig zu viel und ließ es an Effizienz und Präzision beim Passspiel und Abschluss vermissen. Doch all das hat er mittlerweile abgelegt.

"Ich hatte Gänsehaut, als die Fans meinen Namen gesungen haben", sagt Undav nach seiner EM-Premiere in Stuttgart - IMAGO/Gladys Chai von der Laage

Einst wurde er aussortiert

Undav ist im besten Fußballer-Alter zu einem gestandenen Profi gereift. Persönliche Niederlagen wie das Jahr 2012, als er nach fünf Jahren beim SV Werder Bremen aussortiert wurde, weil man ihn dort als zu klein und zu dick empfunden habe: "Das war damals sehr schlimm, weil ich mit dem Ziel zu Werder gegangen bin, dort Profi zu werden. Der Verein lag direkt vor der Haustür, meine ganze Familie hat das von mir erwartet. Und dann aussortiert zu werden, war schon hart. In dem Moment war ich am Boden zerstört."

Einen Groll gegenüber dem SVW hegt Undav aber nicht mehr. Über den Umweg SC Weyhe, TSV Havelse und Eintracht Braunschweig II gelang ihm der Sprung ins Profi-Geschäft. Und von Meppen schaffte er es innerhalb von sechs Jahren zu einem der gefährlichsten und besten Offensivspieler der Bundesliga, der zudem auch noch fester Bestandteil der Nationalmannschaft ist.

Auf Social Media verzichtet Undav bewusst, hat kein TikTok, Instagram oder ähnliches. Worauf er in Zukunft aber nicht mehr verzichten braucht: auf die Champions League, europäischen Spitzenfußball. Im Spätsommer 2024 ist es endlich so weit.

Patrick Dirrigl