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"Von einem anderen Stern": Bochums Festtag gegen den FC Bayern München

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Bochums Traumtorfabrik liefert gegen Bayern ihr Meisterstück. Der erste Sieg gegen die Münchner seit 18 Jahren war viel mehr als eine gelungene Underdog-Story. Zusammen mit seinen Fans schuf der VfL ein Stück Fußballgeschichte.

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Alles begann mit einer Panne. Die über 8.000 Bochumer, die in der tiefstehenden Februarsonne dem ersten Bundesliga-Heimspiel des VfL Bochum gegen den FC Bayern München seit elf Jahren entgegenfieberten, wurden nicht wie üblich von Herbert Grönemeyers "Bochum" zum Anstoß besungen. Kurz vor Spielbeginn war der Strom ausgefallen im Vonovia Ruhrstadion. Ein Vorbote des nächsten Debakels nach dem 0:7 im Hinrundenduell, der höchsten Niederlage der Bochumer Bundesligageschichte?

Mitnichten. Denn nachdem Weltfußballer Robert Lewandowski die haushoch favorisierten Gäste trotz starken Beginns der Gastgeber mit der ersten Münchner Strafraumszene in Führung gebracht hatte, nahm nicht etwa die nächste Demütigung ihren Lauf - sondern das beste Spiel in der jüngeren Clubhistorie.

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"Wie von einem anderen Stern"

"Wie wir die erste Halbzeit gespielt haben, war für mich wie von einem anderen Stern", versuchte Torschütze Gerrit Holtmann den Wahnsinn anschließend in Worte zu fassen. "Die graue Maus war diesmal eine ganz Große." Mittlerweile weiß jeder um die Sprintgeschwindigkeit von Bochums Linksaußen, der mit 36,43 km/h letzte Saison der schnellste Spieler im deutschen Profifußball war.

Sensationell! Bochum schlägt Bayern mit 4:2

Und doch konnte Bayerns hochkarätige Viererkette die typischen VfL-Konter über Holtmanns linken Flügel nicht verhindern. Ein Pass ins Zentrum, wo Christopher Antwi-Adjei Niklas Süle umkurvte und den Ball mit seinem schwachen Fuß und einer Selbstverständlichkeit unten links platzierte, als hätte er 15 Saisontore auf dem Konto. Tatsächlich war es sein erstes.

"Wahnsinn, was hier los war", schwärmte der Sommerneuzugang aus Paderborn vom Bochumer Publikum, das sieben Minuten vor der Halbzeit erstmals den Siedepunkt erreichte. Dayot Upamecano fuhr den Arm auf der Strafraumgrenze aus und Winter-Verstärkung Jürgen Locadia krönte seinen ersten Monat im VfL-Dress mit seinem ebenfalls ersten Saisontor per bombensicher verwandeltem Handelfmeter zur Führung.

Traumtorschützen unter sich: Gamboa feiert seinen Strahl zum 3:1 mit Holtmann - Maik Hölter/TEAM2sportphoto

Gamboa belohnt sich formvollendet

Blühte dem frechen Underdog nun die wütende Antwort des angestachelten Tabellenführers? Und wenn schon! Mutig und aggressiv hielt der VfL den Tabellenführer vom eigenen Tor fern, suchte selbst konsequent die Tiefe und fand von den Flügeln immer wieder den Weg ins Zentrum. So entstanden noch vor der Pause zwei der schönsten Tore dieser Spielzeit.

Den Bayern war nicht entgangen, dass Danilo Soares links in Bochums Viererkette eine überragende Saison spielt, sie hatten sich also Rechtsverteidiger Cristian Gamboa als Schwachstelle ausgeguckt - eine von vielen Fehleinschätzungen des Meisters an diesem Nachmittag. Der 1,70 m große Costa Ricaner wuchs mit jedem Ball, den er Kingsley Coman abluchste und jedem so bewirkten Jubelsturm aus der Ostkurve.

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In der 40. Minute hatte er verstanden: in diesem Spiel geht alles. Der 32-Jährige tunnelte Coman, bekam den Ball von Patrick Osterhages Sohle zurück und knallte ihn vom rechten Strafraumeck in die linke obere Torecke. Holtmanns Solo gegen Mainz und Milos Pantovics Treffer aus der eigenen Hälfte könnte mit diesem Kunstwerk zum 3:1 ein weiteres Bochumer "Tor des Monats" hinzugefügt worden sein.

Nach Sternstunde zum Klassenerhalt?

Wobei Holtmann wiederum nur vier Minuten später einen Gegenkandidaten präsentierte und das Publikum endgültig ausflippen ließ. Warum für einen Traumschlenzer in den Winkel nicht mal den schwachen Fuß nehmen? Es klappte ja schließlich alles. Tunnel gegen Upamecano, Rechtsschuss, 4:1. Der Traumtorregen beim Aufsteiger ist besonders bemerkenswert, weil das Reis-Team bis zum Spiel gegen den FCB insgesamt erst 20 Tore geschossen hatte, damit offiziell mit der zweitschwächsten Offensive der Liga ins Spiel ging. Vielleicht muss Reis seinem Team sagen, dass auch unspektakuläre Tore zählen.

Abstiegskampf so spannend wie lange nicht mehr

Durch den Überraschungssieg, den Bayern trotz des zweiten Lewandowski-Treffers im zweiten Durchgang nie ernsthaft gefährden konnte, ist Bochum seiner Rechnung für das Saisonziel mit 28 Zählern nun voraus. 20 Punkten aus der Hinrunde soll dieselbe Anzahl in der Rückserie folgen, so der Klassenerhalt gelingen. Aus den ersten fünf Spieltagen der zweiten Runde haben die Jungs von der Castroper Straße nun schon sechs Punkte mehr geholt als aus den gleichen Duellen im Sommer.

"Es gibt immer Tage, an denen man Bayern Punkte abnehmen kann", hatte Reis seinem Team mit auf den Weg gegeben. Und es gibt Tage, an denen alles zu Gold wird, was den Fuß berührt. Bochum hat ihn am Samstagnachmittag erwischt und die Fußballwelt auf spektakulärste Weise daran erinnert, warum sie dieses Spiel so liebt. Für den VfL selbst war es neben den drei Punkten ein glänzendes Stück Vereinsgeschichte.

Thomas Reis wird nach Schlusspfiff minutenlang von der Ostkurve gefeiert - Dennis Ewert/RHR-FOTO via www.imago-images.de/imago images/RHR-Foto