Darum führt der 1. FC Union Berlin die Tabelle an
Wenn man eines der Bundesliga 2022/23 nicht vorwerfen kann, dann ist es Langeweile. Waren sich alle Experten im Sommer noch einig, dass spätestens im Herbst der FC Bayern die Konkurrenz schon wieder aus dem Rückspiegel verloren hat, fehlen dem Rekordmeister nun ganze fünf Punkte auf die Tabellenspitze. Und von dort grüßt nicht etwa Borussia Dortmund, Bayer Leverkusen oder RB Leipzig. Nein, mit dem 1. FC Union Berlin hat sich auf Platz eins eine Mannschaft eingenistet, die ganz gewiss niemand auf der Rechnung hatte. Dabei gibt es gleich eine ganze Reihe von Gründen für die aktuelle Erfolgswelle der Köpenicker.
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Und die erste verteidigte Tabellenführung fernab der Bayern seit mehr als einem Jahr ist nach dem jüngsten 2:0-Sieg gegen den VfL Wolfsburg weit mehr als nur eine Momentaufnahme. Der 1. FC Union Berlin geht nicht nur auf Platz eins in die erste Länderspielpause 2022/23, er wird auch am darauf folgenden Spieltag Anfang Oktober dort nur bei einer Niederlage zu verdrängen sein, wenn Borussia Dortmund gewinnt. Gut einen Monat später geht es dann aufgrund der WM schon in eine ungewöhnlich frühe Winterpause. Und die Chancen, dass Union die Stellung an der Spitze bis dorthin hält, sind gar nicht so schlecht.
Denn: zu schlagen ist die Mannschaft von Trainer Urs Fischer in der Bundesliga seit Monaten schon nicht mehr. Genauer gesagt seit dem 19. März 2022. Ganze 14 Spiele in Folge blieb Union zuletzt unbesiegt. Alle anderen Teams haben in diesem Zeitraum mindestens zweimal verloren. Außer Union haben auch alle anderen Bundesligisten in dieser Saison schon mindestens eine Niederlage kassiert. All das spricht zunächst einmal für eine außerordentlich gute Arbeit gegen den Ball.
Meiste Kilometer abgespult, meiste Kopfballduelle gewonnen
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Das lässt sich selbstverständlich auch durch Zahlen belegen: Mit vier Gegentoren stellt Union in dieser Saison die beste Defensive der Bundesliga. In keinem Spiel hat das Team mehr als einen Gegentreffer kassiert. Die Akteure auf dem Platz machen es ihren Kontrahenten extrem schwer. Nicht nur rein statistisch ist es kein besonders angenehmer Arbeitstag, wenn man gegen die Eisernen antreten muss. Im Zweikampfverhalten geht es nämlich ordentlich zur Sache. Keine Mannschaft gewinnt ligaweit mehr Kopfballduelle (187), nur Bayern, Köln und Dortmund haben mehr Zweikämpfe gewonnen als Union (725), aber keine Mannschaft leistet sich auch so viele Fouls (106).
Ohnehin ist der Aufwand, den die Unioner betreiben, bemerkenswert. Die Arbeit gegen den Ball funktioniert selbstredend nur mit einem enormen läuferischen Aufwand. Und auch hier ist Union mit 825,8 Kilometern Ligaspitze in dieser Saison und damit stolze acht Kilometer mehr gelaufen als der 1. FC Köln, der in dieser Statistik auf Platz zwei folgen. Trainer Fischer fand nach dem Spiel gegen Wolfsburg nur lobende Worte: "Die Mannschaft hat unheimlich viel aufgewendet. 122 Kilometer, drei Tage nach einem schweren Europa-League-Spiel. Da muss ich schon sagen, toll."
Emotionales Baumgartl-Comeback
Beim jüngsten Erfolg am späten Sonntagnachmittag half außerdem Timo Baumgartl wieder mit, dass am Ende zum dritten Mal in dieser Saison hinten die Null stand. Der Abwehrspieler gab nach seiner Hodenkrebs-Erkrankung, die er Anfang Mai öffentlich gemacht hatte, nicht nur sein Comeback, sondern stand auch direkt in der Anfangsformation und hielt ganze 60 Minuten durch. "Das ist genau das, was ich mir während der Chemotherapie die ganze Zeit erträumt habe, so zurückzukommen, in der Startelf zu stehen und zu gewinnen. Das sind emotionale Momente für mich", so der sichtlich glückliche Baumgartl.
Den aktuellen Erfolg der Hauptstädter aber nur auf die Defensive zu beschränken, würde der Sache bei weitem nicht gerecht werden. Denn auch in der Offensive stellt Union die Konkurrenz in den Schatten. So ist Sheraldo Becker zu diesem Zeitpunkt mit sechs Toren und drei Vorlagen sowohl der beste Torschütze als auch der Top-Scorer der Bundesliga. Ein Spieler, den bei seiner Verpflichtung im Jahr 2019 noch kaum jemand kannte, der in seinen ersten beiden Jahren nur auf wenig Einsatzzeiten kam und von Fischer nach und nach zu einem absoluten Top-Spieler der Bundesliga entwickelt wurde.
Kongeniales Sturmduo erlegt auch die Wölfe
Gemeinsam mit Jordan, der gegen Wolfsburg seinen dritten Saisontreffer erzielte, bildet Becker aktuell das beste Sturmduo ligaweit. Die beiden Angreifer stehen aber auch sinnbildlich für eine clevere Einkaufspolitik des Clubs. Ablösesummen im zweistelligen Millionenbereich sucht man bei Union vergebens. Abgänge von Schlüsselspielern wie Taiwo Awoniyi oder Grischa Prömel konnten aber dennoch gleichwertig ersetzt werden. So haben sich in der Mittelfeldzentrale auf Prömels Position etwa zuletzt Janik Haberer (ablösefrei aus Freiburg gekommen) oder der immer stärker werdende Andras Schäfer festgespielt. Und über Awoniyi, der bei Premier-League-Aufsteiger Nottingham Forest meist nur Joker ist, spricht dank des Duos Becker/Jordan sowieso keiner mehr.
Union scheint also zumindest bis hierhin alles richtig zu machen. Aber wie nachhaltig kann dieser Saisonstart mittelfristig sein? Reicht es möglicherweise sogar zum ganz großen Coup wie etwa bei Leicester City in England vor rund sieben Jahren? Ein wenig Träumerei darf nach diesen erfolgreichen Wochen schon noch erlaubt sein und so lange die harte Realität nicht zurückschlägt, können sich die Unioner zumindest noch mit einem breiten Grinsen die Tabelle ausschneiden.
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