Granit Xhaka: Bayer 04 Leverkusens heimlicher Held
Er war einer der Transfer-Coups des vergangenen Sommers: Granit Xhaka, der vom FC Arsenal zu Bayer 04 Leverkusen wechselte. Der Mittelfeldmann avancierte umgehend zum Chefstrategen der "Werkself" und könnte der heimliche Held der Rheinländer auf dem Weg zur ersten Deutschen Meisterschaft sein.
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Es ist fast zehn Jahre her, als der Musterschüler seinen Meister, damals "nur" ein Vorbild, das erste Mal auf dem grünen Rasen gegenüberstand: Am 26. Oktober 2014 empfing Granit Xhaka, damals im Trikot von Gladbach, den FC Bayern, der seit Sommer 2014 einen neuen Chef-Strategen im Mittelfeld hatte – Xabi Alonso. Im ersten Aufeinandertreffen der beiden gab es ein 0:0 gegen den spanischen Weltstar, in der Rückrunde gewann der Schweizer gar 2:0 in der Allianz Arena.
"Er war 32, ich war 22. Das war das erste Thema, über das wir gesprochen haben", sagte Xhaka im vergangenen Sommer, als er von seinem Wechsel zu Bayer 04 Leverkusen erzählte. "Nachdem wir erstmals gesprochen hatten, habe ich viele Spiele von Leverkusen gesehen. Es hat mir gefallen, wie er spielt und wie er spielen möchte. Dann war es eine schnelle Entscheidung."
Die Win-Win-Win-Situation in Leverkusen
Eine Entscheidung, die – wie man nun ein halbes Jahr später mit Gewissheit sagen kann – nur Gewinner hervorgebracht hat: Xhaka ist der unumstrittene Leader der "Werkself", hat dort alle 21 Bundesligaspiele von Beginn an bestritten. Auf dem Feld ist er der verlängerte Arm Alonsos, geht nicht nur mit seiner Aggressivität im Zentrum voran, sondern ist dank seiner Übersicht und Ruhe am Ball, auch unter enormen Raum-, Zeit- und Gegnerdruck, das Relais im Pass- und Positionsspiel der Rheinländer. Weil Alonso Xhaka im Sommer davon überzeugt hat unter seine weltmeisterlichen Fittiche genommen zu werden, kann der Baske seine Spielphilosophie, die man bereits in der vergangenen Saison mehr als nur erahnen konnte, noch besser umsetzen.
Der größte Gewinner ist natürlich der Club selbst: Leverkusen ist ungeschlagener Tabellenführer der Bundesliga, thront nach 21 Spieltagen nach 17 Siegen und vier Remis mit 55 Punkten an der Spitze. Seit dem überzeugenden 3:0-Heimsieg vom vergangenen Samstag, als dem Rekordmeister aus München erfolgreich die Grenzen aufgezeigt wurden, haben Xhaka und Co. satte fünf Zähler Vorsprung auf das Team von Trainer Thomas Tuchel.
"Bei uns in der Kabine wird von Spiel zu Spiel geplant. Keiner redet hier vom Titel", sagte Xhaka nach dem erfolgreichen Topspiel gegen die Bayern und klingt dabei ähnlich zurückhaltend – aber dennoch selbstbewusst – wie sein Coach Alonso: "Es sind nur drei Punkte", sagte der Welt- und zweimalige Europameister, wohlwissend, dass noch 13 Partien in der Bundesliga ausstehen in dieser Saison.
Was Xhaka so stark macht
Egal ob Exequiel Palacios, Robert Andrich oder auch einem Gustavo Puerta als Nebenmann: Xhaka ist der Chef, lenkt das Spiel aus der Tiefe. Kein Spieler war in dieser Bundesliga-Saison häufiger am Ball als der Schweizer Rekordnationalspieler: 2.382 Mal – das sind im Schnitt 115 Ballkontakte pro Spiel. Zudem gewann der 31 Jahre alte Sechser mit der Nummer 34 auf dem Rücken starke 56 Prozent seiner Zweikämpfe. Seine 249,9 gelaufenen Kilometer (11,9km pro Spiel) sind zudem die meisten bei der "Werkself" – nur Lennard Maloney vom nächsten Leverkusen-Gegner Heidenheim hat mehr Kilometer auf dem Tacho.
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All diese Zahlen erinnern an Xhakas Trainer und Förderer Alonso: In seiner Zeit bei den Bayern war der Baske im Schnitt 122 Mal am Ball, lief durchschnittlich 11,6 Kilometer und gewann ebenfalls 56 Prozent seiner Zweikämpfe. Wo der Schweizer dem Spanier noch ähnelt? Bei der Pass-Präzision. Xhaka spielt aktuell die meisten Pässe aus Spiel heraus (2.120) und brachte davon 93 Prozent zum eigenen Mitspieler. Damit hat er die beste Passquote aller Mittelfeldspieler in der Bundesliga!
Xhaka ist ein Initiator, er gehört zu den zehn besten Bundesligaspielern, die häufig Torchancen kreieren. Er trägt dazu bei, dass vorne Spieler wie Florian Wirtz oder auch der momentan verletzte Victor Boniface glänzen – und hält sich vornehmlich zurück. Ein heimlicher Held sozusagen. Auch seine Pass-Effizienz ist überragend: Den Wert von +66,6 übertrifft kein anderer Spieler der Bundesliga. Zudem ist die Passquote bei schwierigen Zuspielen mit 57 Prozent ebenfalls überdurchschnittlich. 40 Prozent seiner Pässe spielt der Schweizer zudem nach vorne. Alonso war während seiner Bundesliga-Zeit als Spieler ebenfalls einer der passfreudigsten Akteure, brachte im Schnitt 90 Prozent der Zuspiele zum Mann und spielte beispielsweise 2014/15 in nur 26 Einsätzen die absolut meisten Pässe der Bundesliga.
Aus Erfahrung besser
Xhaka geht mutig voran: Gegen die Bayern ging der Schweizer zwischenzeitlich zu Boden und hielt sich den Oberschenkel – er spielte dennoch im so wichtigen Spiel zwischen Tabellenführer und Verfolger durch. Der Grat zwischen Mut im Passspiel und auch Risiko im Zweikampf war in den ersten Jahren der Karriere Xhakas ein schmaler: Auf Vereinsebene kassierte die Nummer 34 zwölf Platzverweise, fünf als Gladbacher (geteilter BMG-Rekord mit Stefan Effenberg) und sieben als Premier-League-Profi beim FC Arsenal.
Aktuell steht Xhaka bei vier Gelben Karten, wurde trotz der drohenden Sperre einen Spieltag vor dem Duell mit München in Darmstadt eingesetzt. Gegen die "Lilien" beging der Schweizer kein einziges Foul, auch gegen den Rekordmeister kam der 31-Jährige ohne eine Verwarnung aus. In den sieben Jahren bei Arsenal, als er für einige grobe Fouls vom Platz gestellt wurde und dafür von ehemaligen Gunners-Spielern harsch kritisiert wurde, haben ihn abgehärtet – und er hat daraus gelernt. Angeblich soll auch Arsenals Sturm-Denkmal Thierry Henry direkt sein TV-Gerät ausgemacht haben, als er beim gemeinsamen Fußballschauen mit Manchester-United-Legende Patrice Evra gesehen hatte, dass Xhaka die Gunners als Kapitän aufs Feld führte. "Mich macht keiner kaputt", sagte der Schweizer Fußballer des Jahres von 2017 der Süddeutschen Zeitung über die nicht immer leichte Zeit in England.
Nach der vergangenen Saison, als Arsenal sich mit Anführer Xhaka lange ein Meisterschaftsrennen auf Augenhöhe mit dem späteren Triple-Sieger Manchester City lieferte, hat der Eidgenosse auch Henry von sich überzeugt: "Er ist ein Spieler auf höchstem Niveau." Das wusste Alonso hingegen schon lange: "Sein Spielverständnis ist top, er hat einen großen Einfluss, kommuniziert viel mit den anderen Spielern und diese vertrauen ihm. Es ist viel einfacher, mit Spielern wie Granit zu trainieren", erhob Alonso, der ehemalige Meister der Sechser, seinen Musterschüler nach dem 3:0 gegen die Bayern in den Adelsstand.
Alonso ist "gigantisch"
Xhaka selbst schwärmt ebenfalls von seinem Trainer: "Mit jeder Aktion im Training überzeugt er mich. Als Mensch, als Leader. Seine Persönlichkeit ist gigantisch. Für einen solchen Trainer geht man durchs Feuer."
Und führen die beiden Leverkusen deshalb nun zum ersten Deutschen Meistertitel der Vereinsgeschichte? Die Meisterschale wäre definitiv das perfekte Stück Silberware, um das zehnjährige Kennenlernen der beiden gebührend zu feiern.
Patrick Dirrigl
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