Borussia Dortmunds Aufholjagd in die Champions League
Mit dem 3:1-Sieg beim 1. FSV Mainz 05 hat Borussia Dortmund den Einzug in die Champions League vorzeitig klargemacht. Neben dem überzeugenden Triumph im DFB-Pokal gelang in der Bundesliga eine bärenstarke Aufholjagd, die stark mit dem Trainer Edin Terzic verbunden ist.
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Michael Zorc schließt die Augen, stößt sichtlich angestrengt die Luft aus den Wangen und lässt seinen Hinterkopf enttäuscht nach hinten an die Kopfstütze seines Lederstuhls am Rande der Bank im SIGNAL IDUNA PARK sacken. Der Grund für die Verzweiflung beim Sportdirektor von Borussia Dortmund: Andre Silva hat mit einem Kopfball Eintracht Frankfurt gerade mit 2:1 in Führung gebracht. In der 87. Minute. Der BVB verliert die Partie und hat nun sieben Punkte Rückstand auf die SGE, die als Vierter auf Champions-League-Kurs ist.
Dies trug sich alles am 27. Spieltag Anfang April zu. Eineinhalb Monate, sechs Bundesliga-Spieltage und einen überzeugenden 4:1-Triumph im DFB-Pokal-Finale gegen Leipzig später sieht die Realität der Dortmunder vollkommen anders aus: Mit dem 3:1-Sieg des BVB beim 1. FSV Mainz 05 machen die Borussen doch noch den Einzug in die Champions League perfekt - bereits eine Woche vor dem letzten Spiel der Saison. Und der Sportdirektor der Dortmunder? Zorc hält nach dem Abpfiff nichts mehr auf seinem Bankplatz. Er strahlt vor Freude und herzt seinen Coach Edin Terzic. Kontrastprogramm in Schwarz-Gelb.
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"Nach dem Frankfurt-Spiel mussten wir etwas ändern. Wenige Leute haben an uns geglaubt", sagte BVB-Kapitän Marco Reus nach dem Sieg in Mainz. "Wir haben versucht, es wieder möglich zu machen. Das haben wir in den letzten Wochen geschafft." Und wie: Die Dortmunder gewannen nach dem 1:2 gegen die SGE sechs Bundesliga-Partien in Serie und schlugen dabei auch die Hochkaräter Wolfsburg (2:0) und RB Leipzig (3:2). Klar, die Frankfurter strauchelten im Endspurt, verloren am vergangenen Wochenende gegen das weit abgeschlagene und abgestiegene Schalke - doch der BVB bot gleichzeitig Woche für Woche überragende Leistungen.
"Wir haben uns freigespielt", erklärte Reus. "Wir dürfen uns freuen, denn das, was wir da aufgeholt haben, ist sensationell. Wenn wir müssen, dann sind wir zu etwas Großem in Stande", betonte der Kapitän, der dies mit seiner jungen Truppe in Zukunft kontinuierlich schaffen will. Der 31 Jahre alte offensive Mittelfeldspieler ging mit Leistung voran: Nach der Niederlage gegen Frankfurt traf er gegen Stuttgart, Union, Leipzig, Mainz, im Pokal-Halbfinale gegen Kiel und in der Champions League gegen Manchester City, das es in diesem Wettbewerb ins Finale geschafft hat. Im Pokalfinale legte Reus zudem zwei der vier Treffer auf.
Terzic hat die Mannschaft "zum Leben erweckt"
Die ansteigende Form im Endspurt der Saison, beim Kapitän wie beim gesamten Team von Borussia Dortmund, ist stark mit einer Person verknüpft: Edin Terzic. Der Coach übernahm nach dem 11. Spieltag, als der BVB zuhause mit 1:5 gegen den VfB Stuttgart untergegangen war. "Er hat die Mannschaft im Dezember übernommen, die war halb tot", sagte Hans-Joachim Watzke nach dem souveränen Pokalsieg gegen Leipzig. "Und er hat sie zum Leben erweckt, das ist eine Riesenleistung von ihm auf seiner ersten Trainerstation", lobte der Geschäftsführer des BVB den Trainer Terzic.
Der Dreikampf um die Champions League ist entschieden
Doch der Start unter dem 38 Jahre alten Deutsch-Kroaten verlief etwas ruckelig: In den ersten zehn Bundesliga-Spielen unter seiner Leitung gewannen die Schwarz-Gelben nur vier Partien, zudem setzt es vier Niederlagen. Nach dem 2:2 am 21. Spieltag gegen Hoffenheim, Terzics zehntem Spiel als Cheftrainer in der Bundesliga, erhielt der Coach Rückendeckung von Führungsspieler Mats Hummels: "Wir sind auf dem Weg der Besserung. wir wollen viel aktiver spielen gegen den Ball, so etwas passiert nicht über Nacht. Ich bin zu 100 Prozent davon überzeugt, dass wir das noch in dieser Saison auf dem Platz sehen werden.“
Terzics Spielidee: Sozialisiert von Jürgen Klopp
Nach Hummels' Ansage folgten vier Siege in drei Wettbewerben in Serie. "Ich finde, Edin macht das hervorragend. Seit Tag eins, seitdem er das übernommen hat", lobte der Innenverteidiger seinen Trainer nach dem 1:0-Erfolg im Viertelfinale des Pokals gegen Gladbach. Terzic überzeuge "mit einem Feuer, aber auch mit inhaltlichem Wissen. Ich traue ihm noch sehr viel zu in seiner Trainerkarriere." Das Spiel der Borussia wurde unter dem Newcomer an der Seitenlinie aggressiver: Der BVB lief seine Gegner höher und intensiver an, zudem wurde das Gegenpressing nach Ballverlust griffiger. Pressing, Aggressivität, Risiko und erhöhtes Tempo im Offensivspiel: So stellt man sich den schwarz-gelben Fußball seit der Ära von Jürgen Klopp vor. "Wir wurden damals von ihm sozialisiert", sagte Hannes Wolf, aktuell Interims-Trainer von Bayer 04 Leverkusen und ein guter Freund Terzics, der wie der Deutsch-Kroate zur Zeit Klopps ebenfalls beim BVB tätig war.
Während Lucien Favre oft mit Dreierkette agieren ließ (in sieben von elf Bundesliga-Spielen 2020/21), favorisierte Terzic klar vier Mann in der Abwehrreihe: In 21 seiner 22 Partien als Bundesliga-Coach lief der BVB mit einer Viererkette auf. In dieser Grundordnung konnte Terzic mit seinen Spielern mehr ins Risiko gehen, war durch das höhere Anlaufen doch nun ein Spieler mehr auf der letzten Linie zur Restverteidigung. In den elf Spielen unter Favre kassierte der BVB 15 Gegentreffer (1,36 pro Spiel), bei Terzic ließ man in 22 Partien 30 Tore zu (ebenfalls 1,36). Der Mut zu mehr Risiko unter Terzic wurde aber vor allem im Angriff sichtbar: Das Tempo im Offensivspiel stieg signifikant an. Unter Favre kam der BVB pro Ballbesitzphase auf im Schnitt 6,21 Pässe. Unter dem Schweizer baute der BVB ruhig auf und kombinierte sich dann nach vorne. Bei Terzic liegt der durchschnittliche Wert an Pässen pro Ballbesitz bei 5,25 - es wird also mit mehr Risiko und schneller nach vorne gespielt. Es darf auch gerne mal der lange Ball gespielt werden unter dem Trainer-Novizen: Der durchschnittliche Wert an langen Pässen der Dortmunder liegt in dieser Bundesliga-Saison bei 7,31 Prozent. Unter Favre wurden in nur drei Partien mehr lange Pässe als im Saisonschnitt gespielt - bei Terzic lag der Durchschnittswert an langen Pässen gleich in zehn Spielen drüber.
Terzic "hat einen super Job gemacht"
Das schnellere Spiel schlug sich auch in der Anzahl der erzielten Tore nieder: Unter Edin Terzic gelangen dem BVB 2,22 Tore im Schnitt pro Spiel, unter Favre lag dieser Wert bei 2,09. "Edin hat einen brillanten Charakter. Er hat das Beste aus uns Spielern herausgeholt, wollte jeden besser machen", sagte Jude Bellingham nach dem 3:1-Erfolg in Mainz. "Er hat mit seinem Team einen super Job gemacht. Wir sind sehr froh, dass wir ihn haben.“ Terzic und seinem Team gelang es, beständig Top-Leistungen aus dem jungen Kader herauszuholen: Mahmoud Dahoud, der unter Favre nur zu fünf Einsätzen in der Bundesliga kam, lief in 15 von Terzics 22 Bundesliga-Partien auf, zehn Mal von Beginn an. Der kreative, ballsichere Mittelfeldspieler steht für schnelles und risikobehaftetes Passspiel in Tiefe.
Reus spielte sich unter Terzic, wie bereits erwähnt, ebenfalls in Top-Form. Den größten positiven Effekt hatte Terzic aber wohl auf Jadon Sancho: Der 21 Jahre alte Engländer erzielte seine acht Saisontreffer in der Bundesliga allesamt unter Terzic. Im DFB-Pokal machte er das entscheidende Tor im Viertelfinale und netzte zudem doppelt im Finale ein. "Es war ein großartiger Endspurt von uns. Die beiden Ziele, die wir uns gesteckt haben, haben wir erreicht", sagt Terzic nach der gesicherten Champions-League-Qualifikation in Mainz. "Wir haben das scheinbar Unmögliche möglich gemacht. Wir sind unserem Weg treu geblieben, haben immer weiter hart gearbeitet und waren bereit, die Extra-Meter zu machen."
Terzic: "Dortmund steht immer wieder auf"
Mit dem Verlauf der Saison sei Terzic sehr zufrieden, vor allem, "wenn man sieht, wie sich die Mannschaft entwickelt hat, und welche Rückschlage sie einstecken musste. Dortmund ist bekannt dafür, dass man nicht liegen bleibt, wenn es mal nicht läuft, sondern dass man immer wieder aufsteht", betonte der Erfolgscoach über den guten Weg, den der BVB eingeschlagen hat. "Da wollen wir weitermachen", schob der Coach nach, der zur kommenden Saison wohl wieder ins zweite Glied bei der Borussia treten wird: Marco Rose wird der neue Cheftrainer der schwarz-gelben Borussia.
Terzic habe "vor ein paar Wochen seinen Vertrag langfristig verlängert, mit der klaren Erkenntnis, wie es weitergeht. Er ist ein Dortmunder Junge, der spürt den Verein, der atmet den Verein", schwärmte Hans-Joachim Watzke von seinem Coach. Das souveräne Aufholen eines Sieben-Punkte-Rückstandes, ein dominanter Sieg im Pokalendspiel, durch den der Pott in den Pott geholt wurde - und das alles garniert mit einer aktiveren, attraktiven Spielweise: Das waren wohl alles Dinge, die sich Michael Zorc am 3. April, nach dem 1:2 gegen Frankfurt, eher nicht hatte erträumen lassen.
Patrick Dirrigl