Vorschau auf EM-Gruppe A: Mit Vollgas zum nächsten Sommermärchen?
Viel Bundesliga-Power gibt es in der Gruppe A der EM-Endrunde. Neben der deutschen Nationalmannschaft mit 20 Bundesliga-Stars im Kader spielen auch sieben Akteure der Schweiz sowie sechs Spieler aus Ungarn in Deutschland. Wir stellen alle vier Teams vor.
Deutschland
Der Gastgeber startet bereits in sein 14. EM-Turnier. Mit den Erfolgen 1972 in Belgien, 1980 in Italien und 1996 in England hat die DFB-Auswahl drei Mal eine Europameisterschaft für sich entschieden. Drei Mal war allerdings auch schon nach der Gruppenphase Schluss. Bei der EM 2021 schied die deutsche Elf im Achtelfinale gegen England aus. Nach 1988 trägt Deutschland zum zweiten Mal eine EM aus.
Der Topstar: Toni Kroos
Mit dem Gewinn der Champions League mit Real Madrid hat sich der 34-Jährige in seinem letzten Vereinsspiel der Karriere noch einen großen Traum erfüllt. Für Kroos war es bereits der sechste Triumpf in der Champions League. Dazu gesellen sich noch insgesamt sieben nationale Titel, vier nationale Pokalsiege und fünf UEFA-Cup-Erfolge. Dem Weltmeister von 2014 fehlt nur noch ein Pokal im Trophäenschrank: der des Europameisters. Mit 109 Länderspielen ist der Mittelfeldspieler einer der zentralen Leistungsträger der DFB-Auswahl.
Der Trainer: Julian Nagelsmann
Der 36-Jährige startet als der jüngste Nationaltrainer in das Turnier. Nur Reichstrainer Otto Nerz war in der Historie der Nationalmannschaft noch jünger (34). Das ist für Nagelsmann aber kein grundsätzlich neues Gefühl. Der Bayer ist bis heute auch der jüngste Cheftrainer eines Bundesligisten. Als 28-Jähriger übernahm Nagelsmann 2016 die TSG Hoffenheim. Nach Stationen bei RB Leipzig und beim FC Bayern München leitet der Coach seit September 2023 die Geschicke der DFB-Auswahl. Keine leichte Aufgabe. Denn die Erwartungshaltung ist im eigenen Land besonders groß.
Das Toptalent: Florian Wirtz
Nach dem Gewinn des Doubles mit Bayer 04 Leverkusen ist der Mittelfeldspieler schon jetzt nicht weniger als ein absoluter Topstar. In den 49 Pflichtspielen der abgelaufenen Saison erzielte Florian Wirtz 18 Tore und bereitete 20 vor. Nicht umsonst wurde er zum Spieler der Saison gewählt. Doch Wirtz ist mit seinen 21 Jahren wohl noch nicht am Ende seiner Entwicklung angekommen. Und dennoch hat der Offensivspieler gute Chancen, auch Spieler des Turniers zu werden.
Die Erwartungshaltung
Die ist in Deutschland ohnehin schon groß, bei einem Turnier im eigenen Land steigert sich das Anspruchsdenken wohl noch einmal. Gefühlt wäre ein Aus vor dem Halbfinale eine Enttäuschung. Allerdings wartet je nach Ergebnissen spätestens im Viertelfinale ein Großkaliber aus der Gruppe B mit Spanien, Italien oder Kroatien.
Prognose
Die Spiele gegen die Niederlande und Frankreich im März haben Hoffnung gesät, die Begegnung gegen Griechenland vergangene Woche aber genauso Zweifel geweckt. Mit den eigenen Fans im Rücken sollte der Gruppensieg sicher drin sein. Dann würde die Nagelsmann-Truppe zunächst auch noch einem Titelkandidaten aus Gruppe B aus dem Weg gehen. Wer Europameister werden will, muss ohnehin auch Topteams aus dem Weg räumen. Mit der Unterstützung der Fans, einer gehörigen Portion Euphorie und vielleicht einer Prise Spielglück ist das Finale möglich.
Stars aus der Bundesliga: Robert Andrich, Jonathan Tah, Florian Wirtz (alle Bayer 04 Leverkusen), Waldemar Anton, Chris Führich, Maximilian Mittelstädt, Deniz Undav (alle VfB Stuttgart), Oliver Baumann, Maximilian Beier (beide TSG Hoffenheim), Emre Can, Niclas Füllkrug, Nico Schlotterbeck (alle Borussia Dortmund), Benjamin Henrichs, David Raum (beide RB Leipzig), Joshua Kimmich, Thomas Müller, Jamal Musiala, Manuel Neuer, Leroy Sané (alle FC Bayern München), Robin Koch (Eintracht Frankfurt)
Schottland
Stimmungsmäßig könnte es wohl kein besseres Eröffnungsspiel bei der EM geben. Zumindest dürfte es laut in München werden. Zwar kündigte Trainer Steve Clarke fünf Millionen schottische Fans für das Turnier an, je nach Schätzung werden immerhin mit 40.000 bis 100.000 Anhängern der "Bravehearts" gerechnet. Sportlich ist Schottland der Außenseiter der Gruppe, qualifizierte sich als Zweiter der Qualigruppe A, hinter Spanien, aber vor Norwegen. Es ist die vierte Endrunden-Teilnahme für die Mannschaft von der Insel. Nie kam eine schottische Mannschaft über die Gruppenphase hinaus.
Der Topstar: Andy Robertson
Der Linksverteidiger des FC Liverpool ist der Akteur mit der größten internationalen Erfahrung im Team. Für die Nationalmannschaft lief Robertson 69 Mal auf. Auch bei den "Reds" ist der 30-Jährige eigentlich Stammspieler. Eigentlich, weil Robertson in dieser Saison die Hinrunde mit einer Schulterverletzung ausgefallen war. Für Liverpool absolvierte der Abwehrspieler nahezu 300 Pflichtspiele und wurde unter anderem Meister und Champions-League-Sieger.
Der Trainer: Steve Clarke
Nahezu 350 Pflichtspiele absolvierte der Schotte für den FC Chelsea, wurde Pokalsieger und gewann den Europapokal der Pokalsieger. Als Trainer stand der 60-Jährige lange nicht im Scheinwerferlicht. Allerdings war Clarke Co-Trainer bei internationalen Trainer-Legenden wie José Mourinho, Ruud Gullit oder Luiz Felipe Scolaro. Seit 2019 ist Clarke Cheftrainer der Schotten und führte die Bravehearts nach zehn verpasssten Endturnieren wieder zu einer EM. Und der Coach hat schon angekündigt, dass es die erste Mannschaft sein "dürfte", die die Gruppenphase übersteht.
Das Toptalent: Billy Gilmour
Das Potenzial des Mittelfeldspielers war schon früh erkennbar. Als 16-Jähriger wechselte Gilmour 2017 von den Glasgow Rangers zu den Junioren des FC Chelsea. 2019 folgte das Debüt in der Premier League. Mittlerweile ist der 22-Jährige Stammspieler bei Brighton & Hove Albion. Seine größte Stärke ist die unglaubliche Ausdauer. "Wenn mich jemand in Manndeckung nehmen möchte, laufe ich einfach weiter - und er muss hinterher. Ich kann den ganzen Tag laufen", so Gilmour.
Die Erwartungshaltung
Nach den starken Auftritten in der Qualifikation rechnen sich die "Bravehearts" zumindest das Achtelfinale aus. Immerhin ging nur eine Begegnung der Gruppe A verloren. Allerdings ist die bisherige EM-Bilanz keine besonders gute. Erst zwei Spiele gewann Schottland bei vier EM-Endrunden.
Prognose
Auch wenn Schottland ein unangenehmer Gegner ist, bleibt die Mannschaft von Clarke wohl der Außenseiter der deutschen Gruppe. Das Erreichen des Achtelfinales wäre schon eine kleine Überraschung. Wie unangenehm die "Bravehearts" sein können, hat die englische Nationalmannschaft bei der EM 2021 erfahren, als die "Three Lions" im direkten Duell nicht über ein 0:0 hinauskamen.
Stars aus der Bundesliga: keine
Schweiz
Bei der EM vor drei Jahren verpasste die Schweiz die große Chance auf das Halbfinale. Schon die Runde der letzten Acht war für die Eidgenossen der größte Erfolg bei einem großen Turnier, im Viertelfinale scheiterte die Schweiz dann knapp im Elfmeterschießen an Spanien. Insgesamt ist das Turnier in Deutschland die sechste EM-Teilnahme für die Mannschaft von Murat Yakin.
Der Topstar: Granit Xhaka
Die Schweiz hat gleich mehrere starke Spieler in den eigenen Reihen, die das Zeug zum Topstar haben. Den größten Impact auf die eigene Mannschaft dürfte in dieser Saison aber Granit Xhaka gehabt haben. Auch bei den "Eidgenossen" ist der Leverkusener Mittelfeldspieler absolut gesetzt. Xhaka ist wie bei der "Werkself" auch in der Nationalmannschaft DER Taktgeber im Zentrum seines Teams.
Der Trainer: Murat Yakin
Der Coach der Eidgenossen ist in Deutschland kein Unbekannter. Immerhin spielte Yakin einst für den VfB Stuttgart und den 1. FC Kaiserslautern. Seit 18 Jahren ist der 49-Jährige mittlerweile Übungsleiter, seit 2021 Trainer der Schweiz. Und zunächst blieben die Eidgenossen auch lange ungeschlagen, qualifizierten sich souverän für die WM in Katar und erreichten dort das Achtelfinale.
Das Toptalent: Fabian Rieder
Der 22-Jährige galt lange als das größte Talent der Schweiz. Im vergangenen Jahr wechselte der Mittelfeldspieler von Young Boys Bern zu Stade Rennes, um den nächsten Schritt der Karriereleiter zu gehen. Doch so wirklich rund lief es in Frankreich nicht. Zunächst nur Joker, später lange mit einem Mittelfußbruch verletzt: Bei der EM hofft Rieder auf bessere Zeiten.
Die Erwartungshaltung
Die Qualifikation verlief für die Schweiz alles andere als gut. Nach einem starken Auftakt stolperten die Eidgenossen Richtung Platz zwei der Gruppe I. Dennoch rechnet sich die "Nati" einiges aus und das kommt nicht von ungefähr: Die Schweiz hat seit 2014 immer die K.o.-Runde von großen Turnieren erreicht.
Prognose
Trotz der insgesamt durchwachsenen Qualifikation sollte die Schweiz die Gruppenphase überstehen können. Der Kader spricht auf jeden Fall dafür, dass einer der ersten beiden Plätze drin ist. Als Gruppenzweiter würde die Schweiz auf den Gruppenzweiten der Hammergruppe mit Italien, Spanien und Kroatien treffen. Die Hürde wird eine große sein.
Stars aus der Bundesliga: Nico Elvedi (Borussia Mönchengladbach), Gregor Kobel (Borussia Dortmund), Rubén Vargas (FC Augsburg), Leonidas Stergiou (VfB Stuttgart), Silvan Widmer (1. FSV Mainz 05), Granit Xhaka (Bayer 04 Leverkusen), Cédric Zesiger (VfL Wolfsburg)
Ungarn
Für Ungarn ist es bereits die fünfte Teilnahme an einer EM-Endrunde, die dritte in Serie. 1964 wurde der Vize-Weltmeister von 1954 Dritter, 1972 Vierter. 2016 überstand Ungarn die Gruppenphase, scheiterte dann aber im Achtelfinale. Bis zur 1:2-Niederlage gegen Irland Anfang Juni blieb die Mannschaft von Marco Rossi 14 Mal in Serie ungeschlagen.
Der Topstar: Dominik Szoboszlai
Nach zweieinhalb Jahren bei RB Leipzig wechselte der Mittelfeldspieler im vergangenen Sommer nach Liverpool und ist dort Stammspieler - das im zarten Alter von 23 Jahren. Szoboszlai ist der Motor und Kapitän der Ungarn, für der er mehr als 40 Mal auflief. Mittlerweile kommt Szoboszlai als Profi auf deutlich mehr als 200 Pflichtspiele im Vereinsfußball.
Der Trainer: Marco Rossi
Seit mittlerweile sechs Jahren ist der 59-Jährige Trainer der Ungarn, war aber zuvor bereits fünf Jahre Vereinscoach von Budapest Honvéd FC. Der ehemalige Profi von Eintracht Frankfurt kennt also den ungarischen Fußball und ist dort spätestens seit der Meisterschaft mit Budapest 2017 eine Institution. Rossi führte Ungarn auch zur EM 2021, schied dort aber nach der Gruppenphase aus.
Das Toptalent: Milos Kerkez
Der Linksverteidiger gilt als eins der größten Abwehrtalente Europas. Kerkez schaffte beim AZ Alkmaar 2022 den Durchbruch, wechselte im vergangenen Sommer zum FC Bournemouth und ist bei dem englischen Erstligisten Stammspieler. Seit 2022 ist er auch Teil der Nationalmannschaft.
Die Erwartungshaltung
Bereits zum dritten Mal in Folge hat Ungarn die EM-Endrunde erreicht. Das weckt Erwartungen, zumal die Mannschaft von Trainer Rossi bei dem Turnier vor drei Jahren in der Gruppenphase gegen Deutschland und Frankreich jeweils mit einem Remis punktete. Auch die Qualifikation verlief äußerst vielversprechend. In der Gruppe G blieben die Ungarn ungeschlagen. Das Aus in der Gruppenphase wäre für die Fans enttäuschend.
Prognose
Trainer Rossi kündigte an, dass alle vier Teams in der Gruppenphase die gleichen Chancen haben. Die Ergebnisse vor der EM sprechen für Ungarn. Tatsächlich ist das Achtelfinale ein machbares Ziel - ob auf Rang zwei oder drei, wird sich zeigen müssen. Dann wartet aber vermutlich ein zu großes Kaliber.
Stars aus der Bundesliga: Márton Dárdai (Hertha BSC), Péter Gulácsi, Willi Orbán (beide RB Leipzig), Roland Sallai, Attila Szalai (beide SC Freiburg), András Schäfer (1. FC Union Berlin)
Alle EM-Gruppen im Check:
>>> Gruppe A: Das nächste Sommermärchen?
Gruppe B: Hammergruppe verspricht Spektakel
Gruppe C: "No more years of hurt"?
Gruppe D: Équipe Tricolore vor Stresstest
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