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Miroslav Klose coacht seit dieser Saison den 1. FC Nürnberg
Miroslav Klose coacht seit dieser Saison den 1. FC Nürnberg - © IMAGO/Sportfoto Zink / Daniel Marr
Miroslav Klose coacht seit dieser Saison den 1. FC Nürnberg - © IMAGO/Sportfoto Zink / Daniel Marr
2. Bundesliga

Miroslav Klose: "Präzision ist immer wichtiger als Härte"

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Das Interview können wir gleich morgens als Erstes machen, wenn er seinen Arbeitstag als Trainer des 1. FC Nürnberg beginne, sagt Miroslav Klose. Also um 7.30 Uhr. Fleiß und Akribie haben ihn schon immer ausgezeichnet, ob in seinem ersten Beruf als Zimmermann, als Weltklassestürmer oder nun als Coach. Über das Toreschießen kann der Rekordschütze der deutschen Nationalelf einiges erzählen...

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Herr Klose, schießen Sie als Trainer immer noch aufs Tor, im Training Ihrer Mannschaft?

Miroslav Klose: Von den rund 300 Toren in meiner Profikarriere habe ich nur zwei von außerhalb des Sechzehnmeterraums geschossen - da sollte ich beim Torschusstraining besser nicht mitmachen. Ich will ja niemandem zeigen, wie es nicht geht. (lacht) Höchstens nach dem Training schieße ich noch manchmal aufs Tor, wenn etwa ein paar Spieler extra Flanken üben wollen und einen Sturmpartner als Anspielstation brauchen.

Stehen Sie in Gedanken automatisch wieder selbst vor dem Tor, wenn einer Ihrer Stürmer im Spiel eine Chance hat?

Klose: Da kommen schon die Gedanken. Jetzt in die Mitte sprinten! Direkt schießen! Und dann sehe ich: Meine Spieler machen da sowieso das meiste richtig.

Hat ein Stürmer vor dem Tor ausreichend Zeit, solche Entscheidungen bewusst zu treffen: "Jetzt direkt schießen"?

Klose: Weitestgehend läuft dieser Entscheidungsprozess unbewusst ab. Vor jedem Spiel studierst du in der Videoanalyse die Bewegungsmuster deiner Gegner: Macht der Torwart sich bei Schüssen aus kurzer Distanz klein oder groß? Schieße ich am besten direkt über seine Schulter, weil er die Hand relativ weit unten hält? Aufgrund solcher Analysen gehst du mit ein paar klaren Ideen ins Spiel, wie du den Ball schießen oder köpfen willst und führst die Aktionen automatisch entsprechend aus.

Sehen Sie dann beim Torschuss überhaupt, wo der Torwart steht, oder haben Sie nur einen Verdacht?

Klose: Das ist unterschiedlich. Manchmal nimmst du ihn wahr, wie eine Art Schatten. In anderen Situationen geht es so schnell, dass du spekulierst: Der Torwart müsste sich jetzt eigentlich Richtung hinterer Torpfosten bewegen, weil die Flanke tief in den Strafraum kommt. Also zielst du mit dem Schuss instinktiv gegen seine Laufrichtung.

Und dann?

Klose: Präzision ist immer wichtiger als Härte beim Torschuss.

Coach Klose an der Seite von Co-Trainer Pinola - IMAGO/Sportfoto Zink / Daniel Marr

Analyse unterstützt den Torinstinkt

In Ihrer Anfangszeit als Profi beim 1. FC Kaiserslautern haben Sie versucht, sich die Schusstechnik Ihres Vorbilds Olaf Marschall abzuschauen. Geht das?

Klose: Von zehn Dropkicks waren bei Olaf neun perfekt. Bei mir waren es zwei von zehn. Ich habe geschaut: Wie hält er seine Schulter, seine Hüfte, den Fuß, wenn er den Ball trifft? Bei ihm war die ganze Bewegung ein einziger Fluss. Also habe ich beim Dropkick genau wie er den Oberkörper ganz dem Tor zugedreht, beide Schultern auf einer Höhe, anders als die meisten Stürmer, die dann noch etwas schräg stehen. Meine Dropkicks sahen dann ein bisschen mehr nach Olaf Marschall aus. Aber perfekt waren unverändert nur zwei von zehn. (lacht)

Tore schießen ist also zum Großteil eine Sache des Instinkts, nicht der Technik?

Klose: Du musst diese Nase haben - wohin kommt der Ball gleich, wo ist die Lücke zwischen den Verteidigern? Aber der Instinkt ist nicht nur angeboren, auch der lässt sich verbessern, indem du Erfahrungen verinnerlichst, die Bewegungen der Gegner immer wieder analysierst.

Muss ein Torjäger immer nur an das eine denken: ans Toreschießen? Muss er also ein Egoist sein?

Klose: Ich habe nie als Egoist gespielt. Ich habe immer versucht zu erkennen: Wo ist die Wahrscheinlichkeit höher, ein Tor zu erzielen - wenn ich aufs Tor schieße oder wenn ich meinen Sturmpartner mit einem Pass in eine noch bessere Position bringe.

"Heute muss jeder Torjäger auch pressen"

Ihr enger Freund, der italienische Weltmeister Luca Toni, würde hier widersprechen. "Luca konnte nur Tor, Tor, Tor", sagte mir einmal Ihr Trainer beim FC Bayern München, Ottmar Hitzfeld.

Klose: Stürmer wie Luca, die vor allem an den eigenen Torerfolg denken, wird es immer geben. Aber sie können heute nicht mehr so spielen wie er vor 15 Jahren: Während wir anderen verteidigten, wartete er auf seine nächste Torchance. Heute muss jeder Torjäger auch pressen, Spielräume schließen. Zu Luca habe ich noch gesagt: "Bleib im Strafraum, außerhalb stiftest du nur Chaos."

Die taktische Idee, ganz ohne klassischen Strafraumstürmer zu spielen, sondern stattdessen mit der sogenannten "falschen 9", ist auch nicht mehr so hip.

Klose: Gott sei Dank. Eine Mannschaft ist besser mit einem Mann, der Tore garantiert.

Sie erwähnten zu Beginn des Gesprächs die zwei einzigen Tore, die Sie mit Schüssen von außerhalb des Strafraums erzielten. Das klang, als hätten Sie trotz so vieler Tore diese zwei noch genau im Kopf.

Klose: Natürlich! Das eine war für Lazio Rom beim Cesena FC, das andere gegen Chievo Verona.

Also ganz am Ende Ihrer langen Karriere.

Klose: Ich habe mir ein wenig Zeit dafür gelassen.

Herr Klose, vielen Dank für dieses Gespräch.

Den gesamten Text gibt es jetzt im ePaper der aktuellen Ausgabe von BUNDESLIGA - Das Magazin der DFL.