RB Leipzig beweist Moral , Florian Wirtz verzweifelt
RB Leipzig hat sich am Samstagnachmittag einen Punkt erkämpft: Trotz einem 0:2-Rückstand gegen Bayer 04 Leverkusen haben sich die Sachsen nicht aufgegeben und sich das Unentschieden gegen einen Deutschen Meister verdient, bei dem Florian Wirtz drei Mal den Pfosten traf.
Die knapp 50.000 Zuschauer in der ausverkauften Leipziger Arena kamen am Samstag voll auf ihre Kosten: Bayer 04 Leverkusen bot phasenweise zauberhafte Konter, veredelte diese aber nicht zu Treffern. RB Leipzig hielt mit Leidenschaft dagegen und hatte kurz vor Schluss das Glück auf seiner Seite: ein wahres Spitzenspiel eben!
Nie wieder ist immer! 21. "Erinnerungstag im deutschen Fußball"
Leverkusen hatte sich in den Matchplan geschrieben, den Gastgebern viel die Kugel zu überlassen, um dann selbst nach Ballgewinnen in höchstem Tempo umzuschalten. Der vorgesehene Dreh- und Angelpunkt der Werkself: wie so oft Florian Wirtz. Der furiose Dribbler war es auch, der in der 18. Minute Willi Orbán schwindlig spielte und mit einem Pfostenschuss das 1:0 durch Abstauber Patrik Schick einleitete.
Elf Minuten später krachte es wieder im Gebälk: Dieses Mal brachte Wirtz mit seinen Anklebreaker-Moves Lukas Klostermann in Verlegenheit, in Péter Gulácsi, der den Abschluss des Spielmachers parierte, fand er aber seinen Meister: Der Ungar lenkte den Schuss an den rechten Pfosten. Als Wirtz in der 36. Minute den Ball von Kevin Kampl klaute und dann mustergültig vor dem 2:0 Aleix García bediente, gab es dann nichts zu halten für Gulácsi.
Wirtz, immer wieder Wirtz
Die Zuschauer im Stadion und an den TV-Geräten konnten sich beinahe im Minutentakt die Augen reiben: Unfassbar, wie Wirtz seine Gegenspieler regelmäßig wie Slalomstangen stehen ließ und sich dabei zu einem unpressbaren Akteur gerierte. Auf engstem Raum und unter größtem Durck fand der Nationalspieler immer wieder Lösungen im Dribbling oder per Pass.
Die richtige Antwort auf Wirtz' Zaubervorstellung gab dann sein Kollege vom DFB-Team: David Raum verwandelte einen Freistoß direkt – es war das erste Mal, dass der Linksverteidiger auf diese Art in der Bundesliga treffen konnte. Der Nationalspieler hielt RBL quasi doppelt im Spiel, klärte in der 47. Minute einen überragenden Konter der Werkself auf der Linie. Ein Schuss von Exequiel Palacios, nach hervorragender Vorarbeit von Wirtz. "Ich bin sehr froh, der Trainer von Flo sein zu dürfen. Es war heute eine Augenweide, ihm beim Spielen zusehen zu dürfen", lobte Xabi Alonso seinen Zehner nach der Partie.
"Wir hätten das dritte Tor machen müssen, hatten sehr viele Chancen", sagte denn auch Simon Rolfes, Geschäftsführer Sport des Meister, nach der Partie. Im Kopf dürfte er beispielsweise die eben beschriebene Chance des Argentiniers, ebenso wie dessen Abschluss in der 63. Minute – wieder ein von Wirtz vorgetragener Konter mit erfolgreichem letzten Pass zum Weltmeister von 2022. 60 Sekunden später knallte Wirtz das Rund an den rechten Pfosten, zuvor ließ er den 19 Jahre jungen El Chadaille Bitshiabu ganz schön alt aussehen. "Dieses Spiel müssen wir für uns entscheiden", haderte Rolfes.
Leipzig gibt sich nicht auf
Weil die Werkself das Spiel aber nicht "killte", wie es einige Fußballer in der heutigen Zeit so sagen, blieb Leipzig im Spiel. Die Sachsen liefen unentwegt an und bewegten die Kugel immer wieder geduldig durch die eigenen Reihen – auf der Suche nach einer Lücke im engmaschigen und tief positionierten Verteidigungsnetz der Leverkusener. Wenn es aus dem Spiel heraus nicht klappen will, dann muss man eben, wie beim Anschlusstreffer, seine Stärken beim ruhenden Ball ausspielen. Und genau das tat Leipzig dann auch: In der 71. Minute tauchte Benjamin Šeško nach einer Ecke von Xavi Simons plötzlich frei im Strafraum auf, Lukáš Hrádecký parierte aber überragend aus kurzer Distanz.
In der 85. Minute streckte sich der Finne dann allerdings vergeblich: Es war wieder eine Standardsituation, getreten von Xavi, doch die Gefahr kam vom eigenen Mann, von Edmond Tapsoba: Bedrängt von Joker Christoph Baumgartner köpfte der Abwehrmann das Rund ins eigene Tor. Aus einem 0:2 wurde ein 2:2 für die Sachsen, die unter der Woche ihren ersten Champions-League-Sieg in dieser Saison einfahren konnten. "Wir sind sehr gut zurückgekommen", befand Marcel Schäfer, Leipzigs Sportchef. "Es ist nicht gerade die leichteste Aufgabe, wenn du 0:2 gegen Leverkusen hinten liegst. Es war einfach stark, wie wie wir das gemacht haben", freute sich der frühere Linksverteidiger.
"Leipzig hat heute sehr gut gespielt", pflichtete Schick, der ehemalige RBL-Akteur, Schäfer bei. "Hier werden noch einige Mannschaften Punkte liegen lassen", war sich der tschechische Torjäger, der all seine 13 Saisontore in den letzten neun Spielen erzielte, sicher. Die zwei verspielten Zähler tun dem Meister am 19. Spieltag jedoch ziemlich weh: Tabellenführer Bayern gewann in Freiburg und vergrößerte den Abstand auf Verfolger B04 damit auf sechs Punkte. Die Sachsen können hingegen bestens mit dem verdienten Zähler leben: Zwar bleibt man Fünfter, ist jetzt aber punktgleich mit dem Vierten aus Stuttgart. Viel Zeit zum Verarbeiten des Samstags-Spektakels bleibt Spielern und Fans der beiden Clubs nicht: Schon am Mittwoch geht's wieder in die Champions League. Leverkusen will gegen Prag das Achtelfinale klarmachen, Leipzig will in Graz wie gegen Sporting und die Werkself erneut Moral beweisen.