Traum von Europa: der Sport-Club Freiburg könnte erneut in den Europapokal einziehen
“Auf, auf, auf in die Champions League!” In den Schlussminuten des überzeugenden 4:0-Heimsiegs gegen den FC Schalke 04 trauten sich die sonst für ihren Demut und gesunden Realismus bekannten Fans des Sport-Club Freiburg ihren Träumen Ausdruck zu verleihen. Der SCF steht kurz davor, zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte zwei Jahre in Folge in den Europapokal einzuziehen und im DFB-Pokal gibt es sogar noch eine Titel-Chance. bundesliga.de ernennt die Erfolgsfaktoren im Breisgau.
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Mai 2007: Der FC Schalke 04 hat in einem dramatischen Saison-Finale die deutsche Meisterschaft nur hauchzart verpasst, während beim Sport-Club Freiburg eine große Ära zu Ende geht: Volker Finke verlässt die Breisgauer nach 16 Jahren. Zum Abschluss der Saison gewinnt der SC zwar mit 2:0 gegen TuS Koblenz, muss dem MSV Duisburg aufgrund der um zehn Toren schlechteren Tordifferenz den Vortritt in die Bundesliga lassen. Die Breisgauer müssen sich mit dem undankbaren vierten Platz in der 2. Bundesliga begnügen und in die dritte Zweitliga-Saison in Folge gehen.
April 2023: Im neuen Europa-Park-Stadion besiegt der SCF den großen Club aus Gelsenkirchen klar und deutlich mit 4:0. Es ist der fünfte Zu-Null-Sieg gegen die Schalker in Folge und das ist nicht einmal eine große Überraschung, denn 16 Jahre nach dem verpassten Aufstieg gegen Koblenz ist der Sport-Club Stammgast in der oberen Tabellenhälfte der Bundesliga und somit Favorit gegen die abstiegsbedrohten Knappen. Aber warum ist der Sport-Club so erfolgreich in den letzten Jahren und Jahrzehnten?
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Konstanz in der Vereinsführung
Noch immer wird der im Oktober 2009 verstorbene ehemalige Vereins-Präsident Achim Stocker von den SC-Fans besungen - und das zu Recht! Ohne den unermüdlichen Einsatz des Mannes, der dafür bekannt war, dass er während den Spielen der ersten Mannschaft nicht im Stadion, sondern mit seinem Hund spazieren war, wäre der SC Freiburg wahrscheinlich immer noch ein kleiner Club, vielleicht nicht einmal ein Profiverein.
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Der ehemalige Spieler des Sport-Clubs war von 1972 bis zu seinem Tod 2009 erster Vorsitzender, bzw. Präsident des Vereins und avancierte spätestens seit der Verpflichtung vom langjährigen Trainer Volker Finke 1991 zu einem der erfolgreichsten Fußball-Funktionäre der Republik. Erst kürzlich erzählte der aktuelle SC-Coach Christian Streich, wie Stocker zu früheren Bundesliga-Zeiten in den 90er Jahren noch an jedem Heimspieltag seine Kaffeemaschine von zu Hause mitbrachte, um den wenigen anwesenden Journalisten ein warmes Getränk anbieten zu können.
Die neuen starken Männer in der Führungsetage von Freiburg heißen Jochen Saier (Sport-Vorstand, seit 2003 im Verein), Oliver Leki (Vorstand Finanzen, seit 2013 im Verein) und Klemens Hartenbach (Sportdirektor, seit 2001 als Trainer/Funktionär im Verein, davor auch schon als Spieler in den 80er Jahren). Vor allem Hartenbach und Saier stehen für die Sport-Club-DNA, denn sie haben selbst den Aufschwung des Vereins in unterschiedlichsten Positionen begleitet. Jochen Saier war zunächst Leiter des Nachwuchsleistungszentrum, der Freiburger Fußballschule, und Klemens Hartenbach war schon seit 2001 als Scout für die Breisgauer unterwegs.
Gutes Scouting und clevere Transfers
Der als Ausbildungsverein bekannte Sport-Club machte schon in den frühen 2000er Jahren durch die vielfach ausgezeichnete Freiburger Fußballschule auf sich aufmerksam und erwirtschaftete sich durch clevere Transfers gutes Geld, was mit Weitsicht zu großen Teilen in die Infrastruktur des Nachwuchsleistungszentrums reinvestiert wurde. Beispielhaft kann hier die Verpflichtung von Sebastian Kehl von Hannover 96 im Jahr 2000 genannt werden und der folgende Weiterverkauf an Borussia Dortmund nur 18 Monate später, mit dem der SC für damalige Verhältnisse ein beeindruckendes Plus verbuchte.
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Vor der laufenden Saison fädelte die Freiburger einen cleveren Tausch-Transfer ein, mit dem sie Michael Gregoritsch vom FC Augsburg im Tausch mit Ermedin Demirovic in den Breisgau locken konnten. Der 1,93-Meter große Mittelstürmer glänzt in dieser Saison bereits mit 14 Saison-Treffern (zehn Bundesliga-Tore, drei Europa-League-Tore, ein Tor im DFB-Pokal) und bringt dem SC mit seiner Kopfballstärke ein wichtiges Element im Offensivspiel.
Außerdem konnte sich der Sport-Club mit Ritsu Doan einen heißbegehrten Spieler angeln, der mit seinen individuellen Qualitäten im Dribbling (gewann 294 seiner 627 Zweikämpfe) gerade in engen Spielen oft den Unterschied macht, wie zum Beispiel beim 2:1-Heimsieg gegen die TSG Hoffenheim, als der Japaner per Seitfallszieher in der Nachspielzeit den Siegtreffer erzielte.
Herausragende Jugendarbeit
Zudem bilden Spieler wie Christian Günter und Nicolas Höfler, die beide aus der Freiburger Jugend stammen, schon seit Jahren eine feste Achse als Führungsspieler. Hinzu kommt der routinierte Rückkehrer Matthias Ginter, der einst unter Christian Streich 2013 sein Bundesliga-Debüt mit einem immens wichtigen Tor gegen Augsburg feierte und nach Stationen bei Dortmund und Borussia Mönchengladbach im Sommer 2022 in seine Heimat zurückkehrte - ebenfalls ein Transfer-Coup von Hartenbach und Saier, die so den schmerzhaften Abgang von Nico Schlotterbeck zum BVB vergessen machten.
Der Quell an vielversprechenden Spieler aus der eigenen Jugend scheint in Freiburg nie zu versiegen. Die nächste Generation um Spieler wie Noah Atobolu, Kiliann Sildillia, Kenneth Schmidt, Yannik Keitel, Robert Wagner und Noah Weishaupt hinterlässt jetzt schon in den (Kurz-)Einsätzen nachhaltig gute Eindrücke und könnte auch in Zukunft eine starke Achse in der so erfolgreichen ersten Mannschaft des SC Freiburg bilden. Und auch der Blick auf die zweite Mannschaft des SC Freiburg, die ebenfalls eine außergewöhnlich gute Saison in der dritten Liga spielt, bestätigt: dem beschaulichen Städtchen am Fuße des Südschwarzwalds steht auch in den nächsten Jahren eine tolle fußballerische Zukunft bevor.
Konstanz auf den Trainerposten
Cheftrainer Christian Streich, der bereits als Spieler Ende der 80er Jahre das Trikot für den Sport-Club trug, ist seit bald 28 Jahren als Trainer beim SC aktiv und ist das bekannteste Aushängeschild des Vereins. Aber auch seine “Mittrainer” wie Streich seine Kollegen im Trainerteam zu nennen pflegt, sind alle schon lange mit dabei.
Patrick Baier, Co-Trainer, der vor allem für die Video-Analyse zuständig ist, arbeitet schon seit 1999 an der Seite von Streich, Co-Trainer Lars Voßler begann 2005 in der Freiburg Jugend und Florian Bruns kam “erst” 2017 ins Trainerteam dazu, kennt den Verein aber noch als Spieler (1999-2003). Komplettiert wird der erfolgreiche Trainerstab von den Athletiktrainern Daniel Wolf (seit 2018) und Maximilian Kessler (seit 2022). Vor allem seit Wolf seine Arbeit aufgenommen hat, sind (Muskel-)Verletzungen im SC-Kader deutlich seltener geworden, was dafür sorgte, dass die SC-Leistungsträger in den letzten Jahren fast allesamt ohne längere Verletzungspausen auf dem Platz stehen konnten.
Freiburg auf dem Weg zum Pokal-Double?
Ganz neu in Freiburg ist neben den Erfolgen in der Bundesliga, das Überwintern in den Pokal-Wettbewerben. War früher meist spätestens im Achtelfinale Schluss, scheint seit der vergangen Saison nichts mehr unmöglich. Im Vorjahr stürmten die Breisgauer zum ersten Mal in ihrer Vereinsgeschichts ins DFB-Pokalfinale nach Berlin und scheiterten dort nur denkbar knapp im Elfmeterschießen an RB Leipzig. In der laufenden Saison gelang dann erstmal das Überwintern im europätischen Wettbewerb, nachdem das Streich-Team mit vier Siegen und zwei Unentschieden souverän die Gruppe in der Europa League gewonnen hatte. Erst im Achtelfinale war dann gegen den italienischen Rekordmeister Juventus Turin nach zwei engen Spielen Schluss.
Im DFB-Pokal hat der Sport-Club auch in diesem Jahr noch die Chance auf eine Berlin-Reise. Im Halbfinale am Dienstag, 02. Mai um 20:45 Uhr kommt es im Breisgau zur Neuauflage des Vorjahres-Endspiels gegen Leipzig. Und nicht nur das! Auch das historische Pokal-Double könnte in diesem Jahr gelingen. Sollte der Finaleinzug der Männer-Mannschaft tatsächlich gelingen, stünden erstmal in der Vereinsgeschichte sowohl das Männer-Team als auch das Frauen-Team im Finale des DFB-Pokal. Interessant dabei: das Frauen-Team hat es den Männer mit einem 1:0-Sieg bei Leipzig schon gezeigt wie es geht.
Freiburg feiert nach Auswärtssieg in München
Für beide Teams der Freiburger wäre es der erste Titel überhaupt (mal abgesehen von vier Zweitliga-Meisterschaften der Männer, eine Zweitliga-Meisterschaft der Frauen). Würde Christian Streich den mittlerweile über 50.000 Mitglieder umfassenden Sport-Club tatsächlich in die Champions League oder gar zum Pokalsieg führen, dann wären er und sein Team genauso unsterblich wie Achim Stocker, der laut SC-Fans sowieso “der beste Mann” ist.
Friedemann Goertz
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