Taktik-Analyse: So unterscheiden sich Florian Wirtz und Jamal Musiala
Beim Topspiel zwischen Bayer 04 Leverkusen und FC Bayern München treffen auch zwei Super-Youngster aufeinander: Florian Wirtz und Jamal Musiala sind beide kreative Spielmacher auf der Zehner-Position. Doch der Taktik-Check zeigt, wie sie sich unterscheiden.
Wirtz oder Musisla - auf wen setzt du im Fantasy Manager?
Wenn am Samstagabend Bayer 04 Leverkusen und FC Bayern München aufeinandertreffen, spielen nicht nur die beiden derzeit besten Teams der Bundesliga gegeneinander. Es ist auch eine große Bühne für die beiden talentiertesten Spielmacher Deutschlands, ihr Können im direkten Duell unter Beweis zu stellen. Die beiden 20-Jährigen Florian Wirtz und Jamal Musiala treten an zum Zweikampf der Super-Youngster.
Dabei gibt es eine Menge Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Jungstars. Nicht nur sind beide wichtige Spielmacher in der Offensive und auf der prestigeträchtigen Zehner-Position zuhause, sie sind auch beide sehr komplette Spieler. Egal was die Trainer von ihnen verlangen, Wirtz und Musiala können ihre Aufgaben mit Bravour erfüllen. Doch trotzdem haben sie noch einmal unterschiedliche Stärken - und es sind eben diese Unterschiede, die sie für ihre Mannschaften jeweils perfekt machen. bundesliga.de wirft einen Blick auf die taktischen Rollen von Wirtz und Musiala.
Wirtz als halblinke Zehn
Betrachtet man die Startformationen von Leverkusen und Bayern, fällt sofort auf: Als klassischer zentraler Zehner agierte am 20. Spieltag keiner der beiden Protagonisten. Florian Wirtz ist im Leverkusener 3-4-2-1 als als linker Spieler im offensiven Mittelfeld zuhause. Anders als bei anderen Teams, die eine Dreierkette spielen, agieren Wirtz und auch Nebenmann Jonas Hofmann nicht konstant auf den Flügel hinaus, sondern orientieren sich oft ins Zentrum oder zurück.
Somit kommen sie einer "Doppel-Zehn" sehr nahe. Dabei besetzt Wirtz die halblinke Position. Anders als der umtriebige Hofmann, rückt Wirtz jedoch immer wieder in die zentralen Räume hinter dem Mittelstürmer. Damit ist er nominell also keine echte Solo-Zehn, agiert aber wie ein solcher Spieler.
Musiala als vielseitiger Spielmacher
Jamal Musiala wiederum startete am vergangenen Wochenende gar nicht in zentraler Position. Aufgrund der vielen Ausfälle rückte der Bayern-Youngster auf den linken Flügel. Diese Vielseitigkeit bringen Musiala und vor allem sein Spielstil mit. Bereits zum dritten Mal in dieser Saison (Musiala spielte zuvor am 15. Spieltag als RA sowie am 16. Spieltag als LA) wich Musiala auf die Außen aus. Doch beim FC Bayern wird ohnehin viel rotiert. Immer wieder fand sich der nominelle Zehner Thomas Müller in der Sturmspitze oder auf einem der beiden Flügel wieder, während Musiala in zentrale Räume stieß. Doch auch wenn Musiala, wie in den meisten der Ligaspiele dieser Saison, als Solo-Zehn spielt, rotiert er öfter nach außen. Die nominelle Aufstellung in einer taktischen Grundformation gibt also beim FCB nur die Basis vor, aus welcher der vielseitige Spielmacher Jamal Musiala dann agiert.
Die vielen Positionsrochaden sind bei Thomas Tuchels FC Bayern ganz normal. Mit Leroy Sané und Harry Kane standen zwei weitere Spieler in der Startformation, die immer wieder in andere Rollen schlüpfen - in jeder Situation waren jedoch die grundlegenden Positionen des 4-2-3-1 besetzt. Das ist ein Unterschied zu Xabi Alonsos Leverkusen. Denn bei der Werkself gibt es zwar auch viele Verschiebungen in den unterschiedlichen Spielphasen, doch in der Regel behalten die Spieler ihre Rollen auf dem Platz bei, üben sie nur in anderer Position aus. Verschiebt Wirtz in die Zentrale, schiebt zwar situativ der linke Flügelspieler Alejandro Grimaldo nach vorne, bleibt dabei jedoch oft breit, anstatt Wirtz' bisherigen Raum zu besetzen.
Passspezialist vs. Dribblingkünstler
Besonders bei spieldominanten Teams wie Leverkusen und Bayern ist der Weg nach vorne meist schnell bestritten. Viele Gegner ziehen sich weit zurück und geben den Favoriten viel Raum, um ihr Ding zu machen. Die große Frage besteht darin, wie Mannschaften in den Strafraum und in Abschlusspositionen kommen. Darin unterscheiden sich auch die beiden Kreativspieler deutlich. Denn der eine sucht eher den Pass in den Sechzehner, der andere trägt den Ball am liebsten mit dem Fuß in die Box.
Ersterer ist Florian Wirtz. Immer wieder spielt Leverkusen den jungen Spielmacher zwischen den Ketten frei, Wirtz dreht auf und spielt den Ball zu Mitspielern im Strafraum. Der Spielmacher der Werkself ist der Meister der schwierigen Pässe. Mit 349 dieser Passversuche versucht er am zweithäufigsten in der Bundesliga das Unmögliche (nur Bochums Kevin Stöger hat mehr, 356), runtergerechnet also gute 20 Mal pro 90 Minuten. Dabei kommt Wirtz auf eine überragende Quote von 64 Prozent angekommenen schwierigen Pässen (Stöger liegt nur bei 46 Prozent). Der Zauberfuß glänzt vor allem dann, wenn der Ball seinen Fuß verlässt.
Anders ist es bei Jamal Musiala. Der Bayern-Youngster probierte bisher lediglich 134 schwierige Pässe (gute elf schwierige Pässe pro 90 Minuten). Stattdessen trägt Musiala die Bälle häufig selbst in den Strafraum. Durch eigene Läufe und entscheidende Dribblings überspielt er die Verteidiger und gibt den Ball erst ab, wenn es schon brandgefährlich ist. Dabei kommt Musiala trotz der vielen Dribblings in enge Räume auf eine starke Quote von 64,4 Prozent. Die vielen Kunststücke mit dem Ball am Fuß brachten ihm nicht umsonst den Spitznamen "Magic Musiala" ein.
Vorlagen-Spezialist gegen Star-Torjäger
Auch in Sachen Produktivität ergeben sich bei Wirtz und Musiala unterschiedliche Profile. Wirtz ist gut vor dem Tor, traf immerhin schon fünf Mal - dazu donnerte er vier Abschlüsse ans Aluminium (kein Spieler häufiger). Doch richtig gefährlich sind vor allem seine Pässe, die Mitspieler in Szene setzen - acht Torvorlagen sammelte der Pass-Spezialist in der bisherigen Saison (geteilter dritter Platz der Bundesliga). Obendrauf kommen die vielen Angriffe, die Wirtz einleitet, die aber entweder nicht verwandelt werden oder noch mehrere Stationen zum Abschluss brauchen. In Sachen Torschussvorlagen ist Wirtz beispielweise mit 46 aufgelegten Abschlüssen der beste Werkself-Angreifer, obwohl Grimaldo einen Assist mehr verbuchen konnte.
Auch das hat mit seiner taktischen Positionierung zu tun: Wenn es sich anbietet, geht der 20-Jährige natürlich auch mit in den Strafraum, im schnellen Spiel der Werkself bleibt dazu allerdings selten viel Zeit. Als Dreh- und Angelpunkt der Bayer-04-Offensive gibt es für Wirtz selten die Möglichkeit, selbst in die Zonen extremer Gefahr zu kommen. Schafft er das, ist er effizient wie Musiala: Alle fünf Tore erzielte Wirtz von innerhalb des Strafraums. Von außerhalb probierte er es selten (19 Mal) und kam bisher zu keinem Torerfolg.
Musiala macht das anders. Da er immer wieder selbst in den Strafraum dribbelt, stellen seine gewonnenen Eins-gegen-Eins-Duelle den Gegner vor die Wahl: Entweder sie greifen Musiala an und hoffen, ihn stoppen zu können, dann werden allerdings seine Mitspieler frei. Oder sie lassen Musiala laufen, dann netzt der Bayern-Angreifer eiskalt selbst. Alle vier Tore aus dem laufenden Spiel (ein Tor erzielte er bei einem kurzen Freistoß) schoss er von innerhalb des Strafraums. In der Vorsaison 2022/23 kam Musiala als zweitbester Bayern-Torjäger auf starke zwölf Tore bei zehn Assists. Die Statistiken sind beim FCB-Spielgestalter also viel ausgeglichener, mit der Tendenz zu eigenen Treffern. In dieser Saison steht er aufgrund mehrerer Verletzungsprobleme in der Hinrunde "nur" bei fünf Treffern und zwei Torvorlagen, der Trend ist jedoch erkennbar.
Komplette Spieler: Wirtz und Musiala können auch anders
Ein Spieler wie Musiala ist im Dribbling schwer zu stoppen - und einen perfekt getimten Pass von Wirtz in die Spitze abzufangen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Doch trotzdem wären beide Spieler wohl nicht so gut wie sie sind, wenn sie ausschließlich diese Aufgaben mit Bravour erledigen könnten. Die beiden Super-Youngster sind komplette Spieler und nicht nur Tormaschinen oder Assistkönige.
Eine Sache, die beide gemeinsam haben: Sie sind extrem clever im Gegenpressing. So hat jeder schon einen Treffer nach einer eigenen Balleroberung direkt vorbereitet. Musiala eroberte sich gegen Mainz 05 einen Ball nach eigenem Ballverlust zurück, zog zur Mitte und legte einen Treffer von Leon Goretzka zum 3:1 auf. Wirtz machte gegen Union Berlin clever Druck, fing einen Befreiungspass ab, spielte dann einen Doppelpass mit Grimaldo und legte für das Traumtor des Spaniers auf.
Stars für die besonderen Momente
Überhaupt sind beide Spieler einfach Stars für die besonderen Momente. Ob es Jamal Musialas Fernschuss-Tor zur Meisterschaft 2023 ist oder das Traumtor von Florian Wirtz gegen den SC Freiburg, als er neben dem Strafraum beginnend fünf Haken schlug, diverse Freiburger umkurvte, um dann den Ball trocken im Tor unterzubringen - Wirtz und Musiala bringen Momente für die Ewigkeit.
"Daran werde ich mich noch lange erinnern", schwärmte selbst ein früherer Spieler-Weltstar wie Werkself-Coach Xabi Alonso über Wirtz' sehenswertes Dribbling-Tor. Im Topspiel am Samstagabend können beide Super-Youngster erneut Geschichte schreiben.
Niklas Staiger
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