Taktik-Check: Granit Xhaka ist das Herzstück von Bayer 04 Leverkusen
Granit Xhaka ist das Herzstück von Bayer 04 Leverkusen. Der Mittelfeldregisseur ist der Taktgeber der Werkself und läuft wie ein Schweizer Uhrwerk. In Xhaka hat Xabi Alonso quasi sich selbst auf dem Feld stehen. bundesliga.de analysiert, wie er Leverkusen zum Top-Favoriten auf die Deutsche Meisterschaft macht.
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Wie wichtig Granit Xhaka für Bayer 04 Leverkusen ist, wurde am vergangenen Donnerstag eindrucksvoll deutlich. Die Werkself startete in Aserbaidschan ohne seinen Mittelfeldregisseur und lag zur Halbzeit mit 0:2 hinten. In der 58. Minute kam Xhaka aufs Feld und half dabei, das Spiel noch auf ein 2:2 zu lenken und für das Rückspiel in der BayArena alle Karten in der eigenen Hand zu haben.
Dass sich Alonso dem Wert des Schweizers sehr wohl bewusst ist, zeigt seine Einsatzstatistik in der Bundesliga: In jedem der bisher 25 Spiele startete Xhaka, nur ganz selten wird er mal ausgewechselt - und wenn überhaupt, dann nur bei einem bereits entschiedenem Spiel kurz vor Schluss. Obwohl Xhaka erst im vergangenen Sommer zur Werkself gekommen ist, kann Alonso auf den Spielmacher nicht verzichten. Doch was macht ihn so wertvoll für Leverkusen?
Xhaka ist immer anspielbar
Weiß ein Spieler von Bayer 04 nicht, wohin mit dem Ball, lautet eine richtige Lösung immer Granit Xhaka. Der Schweizer ist im eigenen Ballbesitz dauerhaft in Bewegung und extrem schwer zu decken. Selbst wenn Teams versuchen, ihn in Manndeckung zu verteidigen, findet Xhaka immer wieder Lücken für schnelle Passkombinationen, die seinen Mitspielern Entlastung bringen.
Dabei bewegt sich Xhaka besonders gerne in gegnerische Dreiecksbildungen hinein. Das hat einen klaren Vorteil: Meist zieht er damit gleich die Aufmerksamkeit mehrerer Gegner auf sich, wenn er den Ball bekommt - dort gehen für ihn damit gleich mehrere Passmöglichkeiten auf, zwischen denen er auswählen kann.
Xhaka macht sich in jeder Spielsituation immer anspielbar - und seine Mitspieler nutzen diese Option in hoher Frequenz. Kein anderer Bundesliga-Spieler war in der Bundesliga auch nur ansatzweise so häufig am Ball wie Leverkusens Mittelfeldregisseur. Mit 2.893 Ballbesitzphasen liegt er mehr als 600 Aktionen vor dem zweitplatzierten Waldemar Anton (2.252).
Gegnerdruck ist Xhakas bester Freund
Wer häufig den Ball hat, spielt auch viele Pässe: Mit 2.573 Pässen im laufenden Spiel ist er auch hier deutlich an der Spitze. Dortmunds Nico Schlotterbeck (1.945) kommt auf Rang zwei. Dabei brachte Xhaka an den bisherigen 25 Spieltagen überragend 93 Prozent seiner Pässe an den Mitspieler. Abgesehen von einigen Innenverteidigern aus der Top-Riege, die häufig aus geringeren Drucksituationen agieren, ist das der Spitzenwert der Bundesliga. Was er mit dem Ball anstellt, ist ebenfalls beeindruckend: Eine Pass-Effizienz von +83,0 (ebenso Liga-Bestwert) zeigt, dass er dabei durchaus häufig riskante Bälle versucht und zum Mitspieler bringt.
Apropos Drucksituationen: Auch in diesen glänzt der Schweizer wie kein anderer. Bereits in der Leverkusen-Analyse stellte sich heraus, dass der Werkself vor der Saison ein Zentrumsspieler fehlte, der dem in der Bundesliga stark ausgeprägten Gegenpressing standhält. In der Vorsaison erreichten Exequiel Palacios (63 Prozent) und Robert Andrich (62 Prozent) nur eine Leistung unter Gegnerdruck nahe der 60 Prozent. In dieser Saison haben sich zwar beide verbessert, liegen bei 72 respektive 73 Prozent. Doch das liegt auch am starken Xhaka, der ihnen immer wieder als Druckventil dient.
Leverkusen 2.0: Alonsos Plan B in der Rückrunde
Derweil kommt der Schweizer selbst auf eine herausragende Quote von 79 Prozent der Drucksituationen, in denen er den Ballbesitz behauptet - Topwert der Bundesliga. Dabei begibt er sich gerne in diese Dreiecke, die den Druck erhöhen: Nur Florian Wirtz und Chris Führich waren im deutschen Oberhaus häufiger unter Druck, spielen jedoch auch deutlich offensiver.
Anspielbarkeit bedeutet nicht immer den direkten Pass
Doch nicht immer ist der direkte Pass zu Xhaka möglich. Clevere Gegenspieler nehmen ihn in seinen Deckungsschatten, wenn sie die Mitspieler des Spielmachers anlaufen. Häufig sucht der 31-Jährige dann die Bewegung und löst sich im Rücken des Pressing-Spielers. Doch auch das klappt nicht immer - wie etwa in einer Szene gegen den FC Bayern München, als mit Harry Kane und Sacha Boey gleich zwei Gegenspieler die Passwege ins Zentrum verdichteten.
An dieser Stelle kommt eines der wichtigsten taktischen Merkmale von Xabi Alonsos Spiel zum Tragen: Die sogenannten "3rd-Man-Pässe", also das Zuspiel über einen Mittelsmann. Immer wieder sucht Bayer 04 das Zuspiel um die Ecke. Auch hier ist Xhaka immer clever positioniert, begibt sich in die Zwischenräume und kann gefunden werden. Im Beispiel des Bayern-Spiels spielt Josip Stanišić nach vorne auf Nathan Tella, dieser legt ab für Xhaka. Der Spielmacher erkennt durch das ballnahe Pressing der Münchner viel Platz auf der Gegenseite, verlagert schnell auf Piero Hincapie und der Angriff rollt - einen weiteren Pass später vergibt Wirtz im Eins-gegen-Eins mit Manuel Neuer.
Xhaka kann jeden Pass spielen
Hat Xhaka erst einmal den Ball am Fuß, brennt es lichterloh. Er glänzt nicht nur durch Spielverlagerungen wie in der Bayern-Szene. Der Schweizer hat nahezu jeden möglichen Pass in seinem Repertoire. So spielt er regelmäßig traumhafte Flugbälle in die Tiefe wie etwa gegen den FC Augsburg, als Teamkollege Patrik Schick im Strafraum jedoch nicht an FCA-Keeper Finn Dahmen vorbeikam.
Oder er beweist seine extrem hohe Kreativität direkt am Strafraum. Etwa mit Chipbällen hinter die Kette wie früh im Spiel gegen den VfL Wolfsburg, bevor Teamkollege Wirtz frei vor dem Wölfe-Tor an den linken Pfosten schoss. Bitter für Xhaka: Keine seiner traumhaften Aktionen endete bisher in einem direkten Tor seiner Mitspieler - kein einziger Assist steht in der Statistik des Schweizers. Mit 36 Torschussvorlagen hatte die Werkself jedoch schon eine Menge Möglichkeiten, der erste Assist ist also nur noch eine Frage der Zeit. So wie auch das erste Tor, das Xhaka trotz 28 Abschlüssen erst am 23. Spieltag gegen Mainz erzielte.
Dafür glänzt er als vorletzter Passgeber: Nur Bayerns Jamal Musiala liegt vor dem Schweizer bei den sogenannten "Second Assists". So leitete Xhaka etwa den Treffer von Wirtz gegen Stuttgart mit einem genialen Steilpass auf Victor Boniface ein oder spielte den tollen Flugball am 3. Spieltag auf Alejandro Grimaldo, der per Kopf den Assist für Boniface gab.
Stark im Umschalten: Xhaka schließt die Lücken
Doch nicht nur im eigenen Ballbesitz ist das Schweizer Metronom eine absolute Waffe. Auch im defensiven Umschalten gibt Xhaka der Werkself eine Stabilität, die seinesgleichen sucht. Mit seiner enormen Spielintelligenz sieht er mögliche Kontersituationen der Gegner und schließt frühzeitig die Lücken. Auch seiner Cleverness ist es zu verdanken, dass Leverkusen in vielen Situationen mit einer Vier-Mann-Absicherung sicher steht und nicht wie bei vielen Clubs sonst üblich eine 3-2 oder 2-3-Restverteidigung aus fünf Spielern aufbaut. Dadurch kann sich Mittelfeldpartner Palacios noch besser offensiv einschalten.
Auch das zeigte Xhaka am vergangenen Wochenende eindrucksvoll: Im Spielaufbau war er noch als Mittelfeldregisseur beteiligt, spielte Wirtz im Halbraum an. Dessen Pass kam nicht in der Spitze an - und sofort schloss Xhaka den Raum zu Wölfe-Stürmer Kevin Behrens, machte diesen nicht mehr anspielbar.
Als im linken Halbraum dann Tiago Tomás den Ball nach vorne trieb, löste sich Xhaka von seinem Gegenspieler und presste - mit Behrens im Deckungsschatten - auf Tomás und luchste ihm den Ball ab. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt. Mit seiner guten Zweikampfquote von 53 Prozent löst er regelmäßig Angriffe der Gegner auf.
Granit Xhaka: Xabi Alonso 2.0
Dass Granit Xhaka bei der Werkself so einen enormen Einfluss hat, dürfte vor allem einen glücklick machen: Xabi Alonso. Und das nicht nur, weil er als Trainer massiv von den herausragenden Leistungen des Schweizers profitiert, sondern weil er auch an sich selbst erinnert werden dürfte. Denn die beiden Leitwölfe von Bayer 04 Leverkusen sind sich gar nicht so unähnlich. Alonso ließ sich zwar noch etwas häufiger in die Abwehrkette fallen und kreierte eher aus der Tiefe, doch das ist auch dem allgemeinen Spiel geschuldet - wenn das von Xhaka gefordert wird, macht er es ebenfalls auf Top-Niveau.
Kein Wunder, dass auch die Trainer-Ähnlichkeit zu sehen ist. Granit Xhaka arbeitet gerade beim SC Union Nettetal 1996, etwa eine Stunde von Leverkusen entfernt, an seiner Trainerausbildung. Der Schweizer macht gerade seine UEFA A-Lizenz. Sein Training erinnert in vielen Zügen an Szenen, die auch Alonso bei der Werkself immer wieder anbringt.
Während noch offen ist, ob nach Xabi Alonso auch Granit Xhaka ein neues großes Trainer-Talent in der Bundesliga wird, ist eines klar: Auf dem Platz ähneln sich die beiden enorm - und als Trainer-Spieler-Gespann harmonieren sie absolut perfekt. Der Schweizer hat einen großen Anteil an der Erfolgsserie und dem möglichen Titelgewinn von Bayer 04 Leverkusen.
Niklas Staiger
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