Die Fußball-Nachspielzeit – Regeln & Infos
Wer entscheidet über die Länge der Nachspielzeit beim Fußball? Welche Kriterien sind beim Entscheiden über die Dauer wichtig? Was war die längste Nachspielzeit in der Bundesliga-Geschichte?
Die Fußball-Nachspielzeit: alles über Regeln und Rekorde
Der Ball ist rund und das Spiel dauert 90 Minuten – oder doch nicht? Strenggenommen wird bei einer Fußballpartie durchschnittlich nur etwa 50 Minuten gespielt (lt. der spanischen Zeitung Marca). Den Rest der Zeit machen diverse Unterbrechungen aus. Die Gründe dafür sind vielfältig: Immer wieder ruht der Ball während Auswechslungen, Ecken, Einwürfen, Abstößen, nach Fouls und vor Freistößen, wenn eine verteidigende Formation die Angreifer ins Abseits stellt, und ganz besonders lange vor Elfmetern und nach Toren.
Es kommt also eine Menge an Pausen zusammen, während derer der Ball gar nicht rollt. Die verlorene Spielzeit wird beim Fußball mit der Nachspielzeit ausgeglichen. Was du über das "Bonusmaterial" fast jeder Partie wissen solltest und welche Rekorde beim sportlichen Nachsitzen schon aufgestellt wurden, erfährst du hier.
Wie lang ist die Nachspielzeit beim Fußball?
Die Dauer der Nachspielzeit beim Fußball fällt in jedem Spiel unterschiedlich aus und ist Ermessenssache des Schiedsrichters . Im Regelwerk ist nicht verankert, wie lange für welche Unterbrechung nachgespielt wird. Schließlich geht wohl kaum eine Spielunterbrechung mit einer standardisierten Zeitdauer einher, sondern benötigt mal mehr, mal weniger Zeit.
In den offiziellen Fußballregeln sind verschiedene Begründungen für das Ansetzen einer Fußball-Nachspielzeit aufgeführt:
- Auswechslungen
- Zeitschinden durch Spieler
- Disziplinarmaßnahmen wie Gelbe Karten oder Rote Karten
- Untersuchungen sowie der Abtransport verletzter Spieler
- Videosichtungen und Videoüberprüfungen durch den Video-Assistenten oder den Hauptschiedsrichter
- medizinisch sinnvolle Unterbrechungen wie Trink- oder Kühlpausen
- sonstige Gründe, welche die Spielfortsetzung verzögern (etwa Torjubel)
Wer entscheidet über die Fußball-Nachspielzeit?
Der Schiedsrichter bezieht alle Verzögerungen und Unterbrechungen in seine Bewertung ein und entscheidet dann über die Länge der Nachspielzeit im Fußballspiel. Diese Entscheidung leitet er über sein Headset an den vierten Offiziellen weiter. Der wiederum zeigt die Dauer der veranschlagten Nachspielzeit in der letzten Minute jeder Halbzeit für alle Anwesenden deutlich sichtbar an. In der Bundesliga wird dafür eine elektronische Tafel genutzt.
Wenn in der Nachspielzeit weitere Verzögerungen auftreten, kann der Schiedsrichter noch länger nachspielen lassen. Es gibt, wie oben schon beschrieben, keine festgelegte Obergrenze. Allerdings müssen die Spieler mindestens die Nachspielzeit einhalten, die der Schiedsrichter vorher an den vierten Offiziellen übermittelt hat – weniger nachspielen lassen darf er nicht.
Ist dem Schiedsrichter in der ersten Halbzeit ein Fehler in der Zeitmessung unterlaufen und hat er diesen nicht am Ende der ersten Halbzeit nachspielen lassen, darf er dies nicht durch eine Verlängerung der Nachspielzeit in der zweiten Halbzeit kompensieren. Die nicht nachgespielte Fehlzeit der ersten Halbzeit wäre in diesem Fall verloren.
Auch bei Verlängerungen in Entscheidungs- und Pokalspielen von zweimal 15 Minuten kann der Schiedsrichter Unterbrechungszeiten nachspielen lassen – ebenfalls jeweils eine Nachspielzeit pro Verlängerungs-Halbzeit.
Was war die längste Nachspielzeit in der Fußball-Bundesliga?
Eine besonders lange Nachspielzeit erhielt im Jahre 2017 die Partie zwischen Köln und Hamburg. Sie wurde auf 13 Minuten festgelegt. Der Grund war allerdings nicht etwa ein Zeitspiel von einer der Mannschaften oder Störungen von außen, sondern eine Wadenverletzung des Schiedsrichters Felix Brych zu Beginn der zweiten Halbzeit. Trotzdem er fast 10 Minuten lang in der Kabine behandelt wurde, konnte er das Spiel nicht mehr leiten.
So sprang der vierte Offizielle als Hauptschiedsrichter für ihn ein und pfiff das Spiel wieder an. Nur eine Minute später unterbrach er es erneut, um dem Hamburger Verteidiger Mergim Mavraj einen Platzverweis zu erteilen. Die sich aus diesen Unterbrechungen ergebende Nachspielzeit nutzten die Mannschaften sogar fleißig aus: In der 8. Minute der Nachspielzeit gelang Köln der 1:2-Anschlusstreffer, ehe Hamburg in der 11. Nachspielminute mit dem dritten Auswärtstreffer die Entscheidung herbeiführte.
Was war die längste Nachspielzeit beim Fußball überhaupt?
Die höchste Nachspielzeit beim Fußball wurde bei den Amateuren in der deutschen Bezirksliga ausgespielt. Insgesamt ließ der Schiedsrichter bei der Partie zwischen Dostlukspor Bottrop und dem BW-Wesel 28 Minuten nachspielen. Diese lange Nachspielzeit begründete der Schiedsrichter damit, dass beide Mannschaften im Laufe der Partie absichtlich zu sehr das Spiel verzögert hätten.
Nachspielzeitrekorde bei der WM 2022
Die Fußball-WM in Katar im Jahr 2022 verzeichnete diverse Rekorde bei den Nachspielzeiten. Hier nur einige Beispiele:
- England – Iran (Gruppe B): insgesamt 27 Minuten Nachspielzeit
- USA – Wales (Gruppe B): 11 Minuten
- Argentinien – Saudi-Arabien (Gruppe C): 14 Minuten
- Polen – Mexiko (Gruppe C): 8 Minuten
Schon nach den ersten fünf Begegnungen summierte sich die Nachspielzeit (lt. der Stuttgarter Zeitung) zusammengerechnet auf beinahe 70 Minuten.
Warum gerade bei dieser WM die Nachspielzeiten so lang waren? FIFA-Schiedsrichterchef Pierluigi Collina gab in einem Interview mit dem Weltverband (via Südwest Presse) folgende Gründe dafür an: "Wir wollen nicht, dass es in einer Halbzeit nur 42 oder 43 Minuten aktives Spiel gibt, das ist nicht akzeptabel. […] Die Leute wollen Fußball sehen, die Leute wollen mehr Fußball sehen."
Ziel war es also, die Nettospielzeit zu erhöhen und darauf zu achten, dass Verzögerungen wie
- Torjubel
- Auswechslungen
- Platzverweise
- strittige Diskussionen
- Überprüfungen durch die Videoassistenten
- und Verletzungsunterbrechungen
nachgespielt werden sollten.
Längere Nachspielzeiten auch in der Bundesliga?
Die längeren Nachspielzeiten könnten auch in der Bundesliga zur Normalität werden, vermutet der ehemalige Bundesliga- und FIFA-Schiedsrichter Knut Kircher (via Südwest Presse): "Die Spieldauer war schon immer ein Gegenstand von Debatten. Längere Nachspielzeiten sind im Zweifel der richtige Ansatz, um Diskussionen zu minimieren."
Warum wurde die Nachspielzeit beim Fußball erfunden?
Die Zeit, in der nicht aktiv Fußball gespielt wird, nachspielen zu lassen, erscheint völlig logisch, doch sie war keineswegs von Anfang an Teil der Fußballregeln. Wie so oft beruht diese „Erfindung“ auf einer Begebenheit, die es erforderlich machte, sich eine geeignete Regelung zu überlegen:
Im September 1891 trafen die englischen Vereine Aston Villa und Stoke City aufeinander. Zwei Minuten vor Ende der Partie führte Aston Villa mit 1:0, als Stoke City einen Elfmeter zugesprochen bekam. Villas Torhüter war clever (oder auch skrupellos) genug, die nicht gegebenen Regeln auszunutzen. Er schnappte sich noch vor Ausführung des Elfmeters den Ball und schoss ihn aus dem Stadion. Die Spieler von Stoke rannten zwar sofort los, um den Ball zu holen, schafften es aber nicht innerhalb der restlichen 2 Spielminuten. Der Schiedsrichter pfiff das Spiel ab, bevor der Ball wieder im Stadion war. Als Lehre aus diesem unfairen Verhalten wurde das Regelwerk des Fußballs um die Nachspielzeit ergänzt.