Das Hamburger Stadtderby: Matchpoint St. Pauli und Endspiel für den Hamburger SV
Als wäre die Bedeutung des Hamburger Stadtderbys nicht eh schon groß genug: An diesem Freitag ist das Duell zwischen dem Hamburger SV und dem FC St. Pauli zudem ein Matchball- und Endspiel um den Aufstieg. Der FCSP könnte die Rückkehr in die Bundesliga beim Erzrivalen klarmachen, der muss wiederum siegen, um am Relegationsplatz dranzubleiben.
Besser hätte man das Drehbuch im Endspurt der 2. Bundesliga nicht schreiben können: Der Hamburger SV, aktuell Vierter mit vier Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz (Düsseldorf) und sieben Zähler hinter Rang zwei (Kiel), muss das Stadtderby gewinnen, sonst könnten alle theoretischen Aufstiegschancen der Hanseaten erlöschen. Während beim HSV also Anspannung und Druck herrscht, etwas verlieren zu können, herrscht beim FC St. Pauli Vorfreude und die große Chance, etwas zu gewinnen: Holen die Kiezkicker beim Nachbarn einen Dreier, sind sie nicht mehr von den ersten beiden Rängen zu verdrängen und die Rückkehr in die Bundesliga, nach 13 Jahren, wäre gesichert. "Von außen betrachtet wäre es gewissermaßen das perfekte Ende", sagt FCSP-Kapitän Jackson Irvine nach dem Sieg gegen Hansa Rostock.
Parallel zum Stadtderby wird ebenfalls ein entscheidendes Spiel ausgetragen, auf das beide Hamburger Clubs vermutlich immer wieder ein Auge haben werden: Fortuna Düsseldorf empfängt den 1. FC Nürnberg. Falls der Club siegen sollte, wäre der FCSP aufgestiegen, egal wie das Duell mit den Rothosen verläuft. Und im Falle einer Düsseldorfer Niederlage wäre die Chance für den HSV riesig, mit einem Erfolg gegen die "Boys in Brown" die Vier-Punkte-Lücke auf die Rheinländer auf ein Zählerchen zu reduzieren. Verlieren die Rothosen aber gegen den Lokalrivalen und Düsseldorf gewinnt zeitgleich gegen die Franken, wären die Aufstiegshoffnungen des HSV begraben.
Erstmals landet St. Pauli vor dem Hamburger SV
Unabhängig vom Ausgang des Derbys oder dem Spiel der Düsseldorfer gegen Nürnberg: Die Mannschaft von Trainer Steffen Baumgart wird den Stadtrivalen nicht mehr in der Tabelle überholen können. Erstmals seit 70 Jahren wird der FC St. Pauli im Klassement vor dem HSV landen. Die "Boys in Brown" sind quasi schon Stadtmeister, bevor das zweite Derby in dieser Saison überhaupt angepfiffen wurde. Doch davon will der ehrgeizige Coach vom FCSP, Fabian Hürzeler, gar nichts wissen: "Wir müssen erst mal beweisen, dass wir wirklich die Nummer eins der Stadt sind."
Hürzeler hat trotz aller Erfolge mit den Kiezkickern noch kein einziges Stadtderby als Coach gewonnen. In der Hinrunde gab es ein 2:2 zwischen den beiden Hamburger Teams, vor einem Jahr gab es zudem eine 3:4-Niederlage für Hürzeler und seine Jungs im Volkspark. "Um die Nummer eins der Stadt zu sein, musst du auch in so einem Spiel bestehen. Dementsprechend wird das wieder eine neue große Herausforderung", sagte Hürzeler, der weiß, dass der HSV noch auf den Aufstieg hofft. "Wir leben!", freute sich nämlich Jonas Boldt, Hamburgs Sportvorstand, nach dem souveränen 4:0 der Rothosen bei der Braunschweiger Eintracht am vergangenen Wochenende.
"Zu viel reden ist nicht gut"
Und dieses frisch eingehauchte Leben geht damit einher, dass die Spieler immer mehr die Philosophie von Coach Baumgart verinnerlichen und die Intensität deutlich nach oben geschraubt haben. Das 4:0 vom 31. Spieltag war der vierte Sieg im neunten Spiel unter dem Mann mit der Schiebermütze und eine deutliche Reaktion auf die empfindliche 0:1-Niederlage die Woche zuvor gegen Holstein Kiel. Seit Baumgarts Amtsantritt Ende Februar gab es keine zwei Dreier in Folge für die Rothosen. Jetzt im Endspurt um den Aufstieg, beziehungsweise um den Relegationsplatz, wäre es aber enorm wichtig, im Stadtderby dreifach zu punkten.
"Dass das Spiel gegen St. Pauli ein besonderes ist, ist klar. Aber ich habe in den Wochen, in denen ich hier bin, gelernt: Zu viel reden ist nicht gut", sagte Baumgart vor dem richtungsweisenden Spiel gegen den Stadtrivalen. "Wir freuen uns auf den Freitag. Da wird eine explosive Stimmung sein. Das sollten wir mitnehmen", gab der Trainer schon mal den Ton an für die aktuelle Woche. "Die Stadt gehört uns", riefen die HSV-Fans nach dem 4:0 in Braunschweig. "Das Lied hat uns sehr, sehr gut gefallen", meinte Mittelfeldspieler Jonas Meffert.
Glatzel kann zum Entscheider werden
Doch weg von Emotionen - wer hat denn auf dem Papier die besseren Karten am Freitag? In der 2. Bundesliga hat der HSV gegen kein Team häufiger verloren als gegen den FCSP: fünf Mal, genauso oft wie gegen Kiel. Fünf Niederlagen, drei Unentschieden und drei Siege setzte es für den Hamburger SV in elf direkten Duellen in der 2. Bundesliga – die Bilanz spricht also noch für St. Pauli, aber der Trend geht hier in Richtung HSV, weil in den letzten vier Derbys hat der HSV sieben Punkte geholt, die letzten beiden Heimspiele im Volkspark gewannen die Rothosen jeweils nach Rückstand (4:3, 2:1).
Ebenfalls wichtig: Robert Glatzel, der in den vergangenen Wochen angeschlagen war, meldete sich gegen Braunschweig mit einem Doppelpack zurück und dürfte im Endspurt zu einem wichtigen Faktor beim HSV werden. 18 Mal hat der Angreifer in dieser Saison eingenetzt. Baumgart trichtert seinen Teams oft das vermehrte Spiel über die Flügel ein, fordert viele Flanken von seinen Akteuren. Glatzel, der zusammen mit FCSP-Coach Hürzeler 2014/15 in der zweiten Mannschaft von 1860 München spielte, ist der perfekte kopfball- und abschlussstarke Zielspieler für diese Hereingaben.
St. Pauli stellt dem Sturmhünen die beste Abwehr der 2. Bundesliga entgegen, erst 33 Gegentreffer gab es für die "Boys in Brown", die vor Selbstvertrauen nur so strotzen. Die Kiezkicker haben am Freitag den ersten Matchball im Aufstiegsrennen in der eigenen Hand, haben im Vergleich zum HSV erst mal nichts zu verlieren - außer vielleicht der Tabellenspitze. Die Motivation und Vorfreude wird hoch wie fast noch nie sein: Der sechste Aufstieg der Vereinsgeschichte kann im Wohnzimmer des ewigen Rivalen klargemacht werden. Zudem würde bei einem zeitgleichen Sieg Düsseldorfs Hamburgs "Klassenverbleib" zementiert werden und der HSV somit zum "Dino der 2. Bundesliga" mutieren: Kein anderer Club wäre 2024/25 so viele Jahre am Stück in der 2. Bundesliga. Ein HSV-Horror und perfektes Ende für St. Pauli - besser hätte man ein Drehbuch für den Endspurt der 2. Bundesliga nicht schreiben können.
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