Willi Landgraf im Interview: "So bin ich eben, ich habe immer gekämpft"
In der langen Geschichte der 2. Bundesliga gibt es einen Mann, der alle übertrumpft hat: Willi Landgraf. Der 55-Jährige ist bis heute mit 508 Spielen der Rekordspieler der 2. Bundesliga, vor Joaquin Monates (479) und Karl-Heinz Schulz (463). Die meisten Partien betritt er für Aachen. 2006 schaffte er den Aufstieg mit der Alemannia, verabschiedete sich aber vom Profifußball, ohne ein Bundesliga-Spiel bestritten zu haben. Im Interview spricht er über seine lange Karriere, berühmte Mitspieler und seine wichtigsten Trainer.
Willi Landgraf, wenn Sie an die 2. Bundesliga denken, was kommt Ihnen als Erstes in den Sinn?
Ich denke da zuerst an früher, als ich gespielt habe. Damals gab es noch nicht so viele Zuschauer wie heute. Ich erinnere mich an ein Spiel mit dem FC Homburg, als es erstmals eine Übertragung im Fernsehen gab. Wenn man sieht, was sich seitdem alles verändert hat, dann ist das schon der Wahnsinn. Inzwischen ist so viel Presse bei den Spielen vor Ort und die Liga stellt immer neue Zuschauerrekorde auf. Wenn mir einer mit 19 oder 20 Jahren, als ich angefangen habe, gesagt hätte: "Du sitzt irgendwann mal vor 68.000 Zuschauern in der 2. Bundesliga im Stadion", dann hätte ich geantwortet: "Du hast nicht mehr alle Tassen im Schrank".
War die 2. Bundesliga schon immer so ausgeglichen wie heute?
Die Abstände zwischen den ersten sechs, sieben Plätzen und dem Rest waren früher größer. In meiner Erinnerung war es damals sehr selten der Fall, dass der Letzte den Ersten geschlagen hat. Da war schon ein deutlicher Qualitätsunterschied zu spüren. Inzwischen ist das anders, aber es ist natürlich auch ein ganz anderes Level an Professionalität.
Ihre Karriere begann einst bei Rot-Weiss Essen, wo Sie von Horst Hrubesch und Peter Neururer trainiert wurden. Neururer hat Sie im Interview bei uns sehr gelobt. Wie war die Arbeit mit ihm?
Er war mein erster Co-Trainer, der damals auch das Landesliga-Team gecoacht hat, in dem ich ab und an gespielt habe. Die Erfahrungen, die ich unter ihm und Horst Hrubesch – einem der größten Trainer – sammeln durfte, waren top!
Inwiefern?
Ich habe damals eine Lehre als Kfz-Mechaniker gemacht und konnte daher morgens nicht trainieren, sondern bin immer direkt nach der Arbeit zum Trainingsplatz gekommen. So etwas wäre heute undenkbar. Ich habe Hrubesch und Neururer viel zu verdanken. Die Unterstützung der beiden damals war außergewöhnlich. Ich hatte irgendwann dann das Glück, dass ich reingeworfen wurde, weil mehrere Spieler gesperrt fehlten. Und so fing alles an.
Sie galten als großer Kämpfer. War das schon von Anfang an so?
In der Jugend habe ich noch auf der Zehn gespielt und war anfangs ein torgefährlicher Mittelfeldspieler, aber weil ich nicht gewachsen bin, musste ich dann irgendwann auf die Außenbahn. So bin ich rechter Verteidiger geworden. Ich bin die Bahn immer rauf und runter gerannt. Schon in der Jugend mochten mich die anderen Spieler oft nicht, weil ich so viel gelaufen bin. Aber so bin ich eben, ich habe immer gekämpft.
Ihre erfolgreichste Zeit hatten Sie bei Alemannia Aachen. Warum lief es damals so gut?
Wir waren ein zusammengewürfelter Haufen, auch mit namhaften Spielern im Team. Der Zusammenhalt hat aber gestimmt und das war wichtig. Jeder war anders, trotzdem haben wir super harmoniert. Das war entscheidend dafür, dass wir im Jahr 2006 den Aufstieg geschafft haben.
Erinnern Sie sich an die Feierlichkeiten?
Damals hatten wir zwei Tage frei und in Aachen herrschte natürlich Ausnahmezustand. Ich weiß gar nicht mehr, ob ich es bis in die Stadt geschafft habe. (lacht)
Als der Aufstieg geschafft war, gingen Sie nicht mit in die Bundesliga, sondern in die zweite Mannschaft des FC Schalke 04. War das die richtige Entscheidung?
Ich bin froh, dass ich den richtigen Zeitpunkt gefunden habe, um mit dem Profifußball aufzuhören. Bei der Alemannia habe ich nur die positiven Zeiten als Spieler miterlebt und hatte später Glück, dass Schalke mich unbedingt haben wollte. Dort konnte ich in der U23 spielen und nebenbei meine Trainerscheine machen. Inzwischen bin ich schon seit 18 Jahren hier auf Schalke. Rückblickend war es genau die richtige Entscheidung.
Also bereuen Sie es nicht, dass kein Erstligaspiel in Ihrer Vita steht?
Das hat mich überhaupt nicht interessiert. Und ich muss ehrlich sagen: Wenn ich meine Vita sehe, dann kann ich mit Fug und Recht behaupten, dass viele Erstligaspieler nicht das erlebt haben, was ich erlebt habe. Ich stand mit Aachen im Finale des DFB-Pokals und habe mit der Alemannia im UEFA-Cup gespielt. Als Rekordspieler der 2. Bundesliga hängt mein Bild im DFB-Museum, darauf bin ich stolz.
In einer so langen Karriere erlebt man bestimmt auch absurde Situationen. An welche erinnern Sie sich?
Zu meiner Zeit in Aachen gab es eine Sauna im Kabinentrakt, von der es einen Zugang zur Gästekabine gab. Wir Spieler haben das öfter genutzt, um in der Gästekabine heimlich eine Zigarette zu rauchen. Die Packung haben wir dann auf der Toilette versteckt, damit es keiner mitbekommt. Aber oft genug waren die Zigaretten weg, nachdem die Kabine gereinigt worden war. (lacht) Das waren damals ja noch ganz andere Zeiten.
Aachen war damals auch bekannt für die eher spartanischen Kabinen...
Ja, bei uns waren auch die Duschen nicht allzu lange warm. Das Wasser wurde schnell kalt. Als Bayern München zu Gast war, sind sie gar nicht erst bei uns Duschen gegangen, sondern nach dem Spiel direkt abgefahren.
Sie haben mit vielen bekannten Spielern zusammengespielt, zum Beispiel Mario Basler oder Ansgar Brinkmann. Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre berühmtesten Mitspieler?
Manchmal konntest du nicht in die Sauna gehen, denn da roch es nach Zigaretten. Mario hat teilweise sogar in der Halbzeit zwei, drei davon geraucht. Ich mochte ihn gerne, er war privat immer ein super Mensch. Ansgar Brinkmann war Weltklasse, aber man wusste nie, was man bekommt. Mal war er da, mal war er nicht da. Wir dachten manchmal schon, es wäre etwas passiert. (lacht) Wir haben aufgepasst, dass er nach Siegen nicht zu viel trinkt, das hat er nicht vertragen. Aber auch er ist ein super Mensch.
An wen haben Sie sonst gute Erinnerungen?
Vor allem an Erik Meijer. Wir waren zwei Alphatiere im Team der Alemannia, aber die Chemie stimmte. Auch von der Größe passten wir gut zusammen, ich klein, er groß. (lacht) Wir haben uns immer gut verstanden. Er war damals mein Zimmerkollege und wir sind noch heute gut befreundet.
Sie haben in der 2. Bundesliga unter 20 verschiedenen Trainern gespielt. Welche haben Sie am meisten geprägt?
Hrubesch und Neururer als meine ersten Trainer habe ich ja schon erwähnt. Jörg Berger hat mich nicht nur sportlich geprägt, sondern auch als Mensch beeindruckt. Er hat seine Spieler geschützt und war ein wirklich toller Kerl. Auch Dieter Hecking fand ich menschlich und fachlich top. Ich mochte seine Spielidee, es ging immer vorne drauf!
Gab es auch Trainer, mit denen es schwierig war?
Ich werde den Namen nicht nennen, aber es gab einen, unter dem ist die Situation eskaliert, sodass wir in der Mannschaft eine geheime Abstimmung über den Verbleib des Trainers gemacht haben. Diese ging eindeutig aus – alle waren gegen ihn.
Fragen und Antworten – hier geht‘s zum Bundesliga-FAQ
Gespielt haben Sie unter allen Trainern viel. Glauben Sie, den Titel „Rekordspieler der 2. Bundesliga“ wird ihnen jemals ein Spieler streitig machen, oder haben Sie den für die Ewigkeit?
Ich bin sicher, dass ich diesen Rekord behalten darf. Heutzutage sind die Jugendlichen aus meiner Sicht nicht mehr so belastbar, dass sie 500 Spiele schaffen. Außerdem haben wir damals in einer eingleisigen Liga gespielt, da hatten wir viel häufiger die Möglichkeit auf dem Rasen zu stehen. Ich habe mich auch im fortgeschrittenen Alter immer durchgesetzt. Da war es egal, ob neue Spieler kamen. Ich habe Aachens Manager Jörg Schmadtke damals gesagt: Du kannst holen, wen du willst. Ich spiele immer! (lacht)
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